Marielle Lath ist 23 und studiert Afrikawissenschaften. Sie ist Wienerin mit Wurzeln in Kärnten und in der südlichen Elfenbeinküste. Im Blogbeitrag beschreibt Marielle, wie sie persönlich die letzten Wochen und die Geschehnisse im Zusammenhang mit George Floyd und Black Lives Matter erlebt hat.
Mein Bachelor-Studium hat mich gesellschaftskritischen Themen wie beispielsweise dem Feminismus oder der Anti-Rassismusarbeit nähergebracht, dennoch haben vor allem meine eigenen Erfahrungen als BIPoC in einem mehrheitlich weißen Umfeld dazu beigetragen, dass ich mich seit drei Jahren intensiv damit auseinandersetze. Themen, die mir, wie sich einige vielleicht denken können, oft einiges abverlangen. Die Woche, in der George Floyd durch die US-amerikanische Polizei ermordet wurde, war eine der wohl nervenaufreibendsten meines bisherigen Lebens. Schnell waren sämtliche Social Media- sowie Nachrichten-Kanäle überflutet mit Informationen zum Mord an George Floyd und den generellen sozialen Missständen in den USA, was schnell dazu führte, dass viele Menschen weltweit begannen, sich mit Rassismus und Polizeigewalt zu auseinanderzusetzen.
Das BLM-Movement in Wien
Es dauerte nicht lange bis feststand, dass in vielen Ländern Demonstrationen stattfinden sollten, um Solidarität gegenüber George Floyd zu zeigen, aber auch, um Kritik an Polizeigewalt und rassistischen Strukturen weltweit zu äußern. In Wien wurden zwei Veranstaltungen organisiert. Mir wurde anfänglich angeboten bei der Black Lives Matter-Demo gegen Polizeigewalt am 5. Juni vor der US-amerikanischen Botschaft in Wien organisatorisch mitzuwirken. Da mich die Situation und mein damit verbundener Weltschmerz aber überforderten, beschloss ich als Demonstrantin daran teilzunehmen. Die Teilnahme an dieser und der vorhergehenden Großdemonstration löste in mir erstmals ein Gefühl der Zugehörigkeit in meiner Heimatstadt Wien aus. Erstmals wurde mir bewusst, wie viele weitere BIPoC tatsächlich gegen Alltagsrassismus sowie strukturellen Rassismus in Wien bzw. Österreich zu kämpfen haben. Erstmals fühlte ich mich wirklich gehört und verstanden. Trotzdem gingen diese beiden Tage auch mit sehr viel Trauer, Wut und Frust einher.
Sehr bald stellten sich mir eine Unmenge an Fragen. Warum musste erst ein Video viral gehen, in dem zu sehen ist, wie ein Schwarzer Mann grausam getötet wird, um auf Rassismus und andere strukturelle, soziale Missstände aufmerksam zu machen? Machte das meine bisherige gesellschaftskritische Arbeit obsolet? Warum waren da so viele Menschen mit großer Reichweite in den sozialen Medien, die diese nicht dafür nutzten, um für die Rechte Schwarzer Menschen einzustehen? Wie lange würde es dauern, bis in den sozialen Medien und den Nachrichten wieder das einkehren würde, was allgemein als Normalität bezeichnet wird? Wie sollte ich darauf aufmerksam machen, dass Rassismus für Schwarze Menschen keine temporäre Angelegenheit ist?
Wie geht es nun weiter?
Auf ein paar dieser Fragen werde ich wohl nie eine Antwort bekommen, dennoch weiß ich:
Es muss Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Rassismus überall auf der Welt ein großes Problem ist. Das kann meiner Meinung vor allem durch ein detailliertes Auseinandersetzen mit der Menschheitsgeschichte, insbesondere mit der Kolonialgeschichte erzielt werden. Die Inhalte meines Studiums am Institut für Afrikawissenschaften der Universität Wien haben mir gezeigt, dass es unabdingbar ist, sich mit historischen Ereignissen wie der Versklavung Schwarzer Menschen oder dem Kolonialismus zu beschäftigen, um Rassismus heute zu erkennen und bekämpfen zu können.
Weiße Menschen müssen beginnen, sich mit ihren Privilegien auseinandersetzen, die sie einzig und alleine ihrer Hautfarbe zu verdanken haben. Schwarzen Menschen muss endlich eine Stimme gegeben werden. Dennoch ist es nicht die Aufgabe Schwarzer Menschen über Rassismus aufzuklären. Es ist längst überfällig, dass sich alle mit der Geschichte Schwarzer Menschen befassen, rassistische Strukturen hinterfragen und für die Rechte marginalisierter, diskriminierter Gruppen kämpfen!