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Wieso, weshalb und warum das Artensterben uns alle betrifft von Bea Maas, Bernd Lenzner, Johannes Wessely
am 12. November 2019
ungefähr 8 Minuten
Kategorien: Forschung
Themen: Biodiversität , Biologie , Naturschutz , Semesterfrage

Wieso, weshalb und warum das Artensterben uns alle betrifft

Weltweit wird ein dramatischer Rückgang der natürlichen Artenvielfalt aufgrund menschlicher Aktivitäten beobachtet, der auch als „Sechstes Massensterben“ bezeichnet wird. Bea Maas, Bernd Lenzner und Johannes Wessely vom Department für Botanik und Biodiversität erklären in ihrem Blogeintrag zur aktuellen Semesterfrage „Wie schützen wir die Artenvielfalt?“ Ursachen und Lösungsansätze aus ihrer Forschung.

Laut einem neuen Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) sind in etwa eine Million Arten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, wenn es zu keinen grundlegenden Änderungen bei der Eindämmung des Klimawandels, der Landnutzung und im Umweltschutz kommt. Die Ursachen für das globale Artensterben sind so vielfältig wie die Forschungsprojekte an unserem Department. Wir beschäftigen uns mit unterschiedlichen Aspekten des Artensterbens, wie beispielsweise den Auswirkungen von Klimawandel, Globalisierung und Landnutzung auf die natürliche Artenvielfalt, Ökosysteme und deren Funktionen. All diese Faktoren sind eng verknüpft und müssen daher gemeinsam betrachtet werden, um nachhaltige Lösungen für den Schutz der Artenvielfalt zu finden.

Wieso beeinflusst der Klimawandel das Artensterben?

Johannes Wessely untersucht in seiner Forschung zukünftige Artverbreitungen mit Hilfe von Computersimulationen unter verschiedenen Zukunftsszenarien. © Johannes Wessely

Klimawandel existiert! Zum Glück kommt dieser Fakt langsam in der Gesellschaft an, nicht zuletzt, da die globale Erwärmung Ausmaße annimmt, die nicht mehr zu übersehen sind. So waren die Sommer 2015/17/18 und 19 unter den fünf heißesten österreichischen Sommern der letzten 253 Jahre (> zwei Grad über dem Mittel). Während einige wenige der Spezies Mensch noch versuchen diesen Wandel zu ignorieren, reagiert ein Großteil der Arten weltweit schon messbar darauf. Die Reaktionen sind hierbei natürlich mannigfaltig: Mobile Arten weichen in kühlere Regionen aus, andere passen sich genetisch an die veränderten Bedingungen an und wieder andere können sich lediglich ihrem Schicksal fügen. Wie gut sie auf Veränderungen reagieren, ist allerdings stark von den einzelnen Arten abhängig und in den meisten Fällen sehr begrenzt: Ein Baum hat es dann doch etwas schwerer, kurzfristig seinen Standort zu wechseln, wenn es am alten zu warm wird. Schreitet der Klimawandel also weiterhin so stark voran oder beschleunigt sich sogar, werden viele Arten darunter leiden und einige auch für immer verschwinden.

Johannes Wessely hat sich deshalb darauf spezialisiert, den Einfluss von Klimaveränderungen auf verschiedene Arten und deren Verbreitungsgebiet zu analysieren. Hierfür verwendet er zusammen mit einem ForscherInnenteam um Stefan Dullinger komplexe Computersimulationen, um die zukünftige Verbreitung von Arten unter verschiedenen Klimaszenarien vorherzusagen. Diese Modelle finden auch praxisorientierte Anwendungsmöglichkeiten. So kann etwa die Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen untersucht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sind entscheidend, um mögliche Effekte des Klimawandels auf die globale Artenvielfalt aufzuzeigen.

Weshalb haben invasive Arten einen Einfluss auf die Artenvielfalt?

Wer kennt es nicht: Man kommt von einem Spaziergang zurück und die Hosenbeine sind übersät mit Kletten und vielleicht findet sich sogar ein Käfer am Rucksack. Dies ist nur ein Beispiel, wie wir Menschen dazu beitragen, Arten von einem Ort zum anderen zu bringen. Während der Sonntagsspaziergang wohl keinen großen Einfluss auf die weltweite Verbringung von Arten hat, gibt es sehr wohl andere menschliche Aktivitäten mit einer größeren Bedeutung. Beispielsweise der Transport von Lebensmitteln und anderen Waren, die aus der ganzen Welt nach Österreich importiert werden. Mit im Gepäck sind meistens Arten aus den jeweiligen Heimatregionen. Doch was hat all das mit der globalen Artenvielfalt zu tun?

Bernd Lenzner erforscht großskalige Muster von Neobiota und erarbeitet Konzepte für die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse im wissenschaftspolitischen Kontext. © Bernd Lenzner

Nicht-heimische Arten, oder Neobiota, können schwerwiegende Folgen für die Artenvielfalt in einer Region haben, indem sie mit heimischen Arten um Ressourcen konkurrieren oder diese als Fraßfeinde bedrohen. Weltweit sind Neobiota einer der vier wichtigsten Gründe für das Aussterben von Arten und auch ökonomisch gesehen sind sie besonders brisant. Das Auftreten nicht-heimischer Schädlingen in der Landwirtschaft oder gesunheitsschädliche Auswirkungen von Neobiota belasten die Kassen und unser Wohlergehen. Konservative Schätzungen für die EU beziffern die so verursachten Kosten auf ca. 12,5 bis 20 Milliarden Euro.

In internationalen Teams arbeitet Bernd Lenzner daran, die Verbreitung und Auswirkungen von Neobiota weltweit zu beschreiben und zu verstehen. Anhand einer globalen Datenbank (GloNAF) analysieren sie globale Verbreitungsmuster nicht-heimischer Pflanzen. Diese Ergebnisse versuchen die ForscherInnen dann anhand von globalen Treibern wie internationalem Handel, Landnutzungsveränderungen, Klimawandel oder sozio-politischen Bedingungen zu erklären. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen blicken die Forscher in einem weiteren Projekt (AlienScenarios) in die Zukunft und versuchen vorherzusagen, wie sich der Artenreichtum von Neobiota und deren Verteilung und Einfluss auf die Biodiversität innerhalb des 21. Jahrhunderts entwickeln. Damit diese Ergebnisse auch an der richtigen Stelle, also bei den relevanten EntscheidungsträgerInnen, ankommen, engagiert sich Bernd Lenzner in der Kommunikation dieser und anderer relevanter Ergebnisse. So wurde er kürzlich als Experte der Universität Wien zur Mitarbeit an einem Sonderbericht zu Neobiota des Weltbiodiversitätsrats IPBES eingeladen.

Warum bedroht das Artensterben unser Wohlergehen?

Bea Maas beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Ökosystemleistungen und Wissenschaftskommunikation zur Förderung von Naturschutz und nachhaltiger Landnutzung. © Bea Maas

Zurzeit verlieren wir laut Experten wie Edgar O. Wilson JEDEN TAG 150 Tier- und Pflanzenarten. Jede Art erfüllt eine bestimmte Rolle in ihrem Lebensraum, der zum natürlichen Gleichgewicht des Ökosystems beiträgt – egal ob wir diese Funktionen als wirtschaftliches „Naturkapital“ oder spirituellen „Rückzugsort“ betrachten. In der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, den Pflanzen, die wir essen und auch den Computern, an denen wir unsere Texte lesen, stecken natürliche Ressourcen und Funktionen, von denen unser Wohlergehen entscheidend abhängt.

Diese „Ökosystemleistungen“ besser verstehen, nutzen und schützen zu können, ist entscheidend für die Zukunft unseres Umgangs mit der Natur – und das zentrale Forschungsthema von Bea Maas. Sie befasst sich vor allem mit dem Zusammenspiel von Landnutzung und Artenvielfalt. Die Ergebnisse ihrer Forschung zeigen nicht nur den enormen wirtschaftlichen Wert von Artenvielfalt für biologische Schädlingskontrolle (z.B.: „Vögel und Fledermäuse fördern 30 Prozent des Kakaoertrags in Indonesien“), sondern auch wie man Schlüsselarten für solche Leistungen bestimmen und schützen kann.

Die Rolle einzelner Arten im Ökosystem zu verstehen ist entscheidend für unsere Zukunft – nicht nur weil das Aufhalten des Artensterbens mittlerweile zu einem Rennen gegen die Zeit geworden ist und Prioritäten gesetzt werden müssen, sondern auch weil Verständnis den Artenschutz fördert. Bea Maas arbeitet in ihren Projekten beispielsweise eng mit lokalen LandwirtInnen zusammen, um das Verständnis für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu fördern. Die Ergebnisse aus Kooperationen, Publikationen und Umfragen mit LandwirtInnen prägen ihre Forschung und Lehre. Als Editorin von biologischen Fachzeitschriften setzt sie sich für  fachübergreifende Zusammenarbeit und Integration verschiedener Interessensgruppen in der Forschungslandschaft ein. ExpertInnen aus diesen Fachbereichen sind sich einig: Der Schutz der Artenvielfalt ist eine Gemeinschaftsaufgabe! Das Artensterben bedroht unser Wohlergehen, weil wir alle ein Teil der Natur sind und uns langfristig ebenso schlecht an die rasanten Veränderungen der Umwelt anpassen können, wie die zahlreichen bedrohten Arten und Funktionen, die wir kennen und brauchen.

Wir haben in der Hand, wie die Geschichte weitergeht

Das „Sechste Massensterben“ ist in vollem Gang und wird in die Geschichte eingehen. Wir haben heute in der Hand, wie diese Geschichte weitergeht. Die Erforschung des Klimawandels, invasiver Arten und Ökosystemleistungen, so wie wir sie am Department für Botanik und Biodiversität zusammen mit WissenschafterInnen aus der ganzen Welt betreiben, ist essentiell, um wissenschaftlich fundiertes Wissen für EntscheidungsträgerInnen und die Praxis bereitzustellen.

Das globale Artensterben ist kein Phänomen, das sich von alleine lösen wird, aber eines, das uns alle betrifft. Die Lösungen sind nicht einfach oder bequem, sondern erfordern konsequentes Umdenken und Handeln. In unserer Arbeit sehen wir jeden Tag, dass halbherzige Umweltschutzgesetze und der Traum von unbegrenztem wirtschaftlichen Wachstum eine nachhaltige Zukunft nur unnötig aufhalten. Weltweit immer größere Umweltschutzbewegungen geben jedoch Anlass zur Hoffnung, dass uns eine Zukunft mit besserer Förderung von Wissenschaft, fachübergreifender Zusammenarbeit und erhöhtem Umwelt(schutz)bewusstsein bevorsteht, durch die wir diese Ziele noch erreichen könnten.

Der Beitrag ist im Rahmen der aktuellen SEMESTERFRAGE zum Thema „Wie schützen wir die Artenvielfalt?“ entstanden. Mehr Beiträge von WissenschafterInnen der Uni Wien lest ihr in uni:view. 

Lesempfehlungen:
Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Doch was hindert uns daran, Erkenntnisse aus der Naturschutzforschung in die Praxis umzusetzen? Bea Maas und KollegInnen publizierten dazu in der Fachzeitschrift Biological Conservation (zur Presseaussendung).

Haubenzwergfischer, Brillenvogel oder Wanderfalke: Vogel ist nicht gleich Vogel. Das macht die Wirbeltiere zu einem Paradebeispiel für Artenvielfalt. In uni:view gibt Bea Maas Einblick in Lebensräume, Alltag und Superkräfte „ihrer“ wichtigsten Forschungstiere.


Bea Maas, Bernd Lenzner, Johannes Wessely

Bea Maas, Bernd Lenzner und Johannes Wessely arbeiten am Department für Botanik und Biodiversität der Universität Wien und beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten des Artensterbens.


Zwischen Ozeanboden und Vulkangipfel

Im Rahmen einer zehntägigen Exkursion der Erdwissenschaften Uni Wien wurden im September die vulkanischen Kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa besichtigt. Die Vulkanologie ist ein wichtiges Forschungsgebiet für Sicherheit und Zukunftsplanung für das Leben auf einer Vulkaninsel.   Einleitung Schwarze Strände, emporragende Vulkane und üppige Waldlandschaften – die Kanarischen Inseln, eine spanische Inselgruppe im Atlantischen … Continued

Wohnen in Wien: Renovieren, Sanieren, Kreislaufwirtschaft?

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  1. Dieser Blogbeitrag ist wie eine Mischung aus Abenteuerroman und Wissenschaftsthriller – man kann förmlich die Hitze der Lava spüren und den Schwefelgeruch in der Luft riechen! Was mich besonders fasziniert: Wie habt ihr es geschafft, trotz des stürmischen Wetters und der unvorhersehbaren Naturkräfte, so viel wissenschaftliche Präzision und Akribie in eure Beobachtungen zu legen? Welche Herausforderung war für dich persönlich die größte auf dieser Reise?

  2. Zu meiner Zeit hat es soetwas leider noch nicht gegeben. Super, dass das noch dazu auch noch überparteilich ist. Klimaschutz ist die wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit. Ewiges Wachstum gibt es nicht. irgendwann ist es vorbei. Der Kapitalismus wird fossil dominiert bleiben. So kann es nicht weiter gehn.

  3. Jonathan sagt:
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    Mich interessiert persönlich Katalanisch sehr. Ich lerne gerade als 2. Fremdsprache Spanisch und möchte gerne auch Katalanisch lernen. Welches Angebot ist dafür am Besten? Ich würde es parallel zu Spanisch lernen. Meine Leidenschaft im Sprachen lernen ziehe ich auch aus der Literatur, die mich begeistert.

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