Was macht der Mensch mit der Erde? Und umgekehrt: Was macht die Erde mit uns? Der Climate Walk ist ein Projekt, das diese beidseitige Verstrickung anerkennt, und das durch gemeinsames Wandern neue Erzählungen über Klimawandel finden möchte.
Die aktuelle Semesterfrage ist bezeichnend für das längst überfällige Bewusstsein der Menschen, dass wir unsere Umwelt formen, und dies immer schon in gewissem Ausmaß getan haben. Immer stärker werden wir mit dem Umstand konfrontiert, dass wir die Auswirkungen unserer auf Ausbeutung natürlicher Ressourcen basierenden imperialen Lebensweise nicht mehr verdrängen können. Denn das anderswo ist nicht mehr unsichtbar, und das andermal lässt sich langsam nicht mehr aufschieben. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir eine potenzielle Katastrophe verhindern wollen. Das wissen wir alle, oder glauben es zu wissen. Denn alles scheint davon abzuhängen, ob wir unsere Treibhausgasemissionen in den Griff bekommen, und den Umstieg zu einem Grünen Kapitalismus schaffen.
So zumindest die gängigste Erzählung, die von Entscheidungsträger*innen, Expert*innen und Aktivist*innen aller Lager und Ebenen vertreten wird. Dabei wird aber oft vergessen – oder bewusst ausgeblendet – dass Klimawandel so viel mehr ist als eine Eventualität, die uns in der Zukunft droht.
Klimawandel findet bereits statt, überall auf der Welt. Besonders unter dem Vorzeichen des Anthropozäns lässt sich erkennen, dass es um so viel mehr gehen muss als um abstrakte Messwerte wie CO2-Äquivalenten, oder darum, ob die globale Durchschnittstemperatur nun um 1°C oder 1,5°C steigt. Das sind alles richtige und wichtige Aspekte, doch sie setzen nicht am Ursprung der Problematik an: Die grundlegenden gesellschaftlichen Naturverhältnisse und die Vielfalt der menschlichen Erfahrungen. Wir wissen, dass der menschgemachte Klimawandel aus einem Nexus vielfältiger Problemfelder erwächst: Wie wir arbeiten, bauen, wirtschaften, uns ernähren, bewegen, konsumieren, kurzum: Was wir tun und lassen ist relevant für das Klima – nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Trotzdem formen wir durch unser Handeln nicht einseitig unsere Umwelt, denn es ist ein beidseitiges Verhältnis: Unsere Umwelt formt auch uns, sodass etwa Klimawandel auch die menschliche Gesundheit beeinflusst.
Was macht die Erde mit uns Menschen?
Um eine Antwort auf die Semesterfrage zu finden, müssen wir also nicht nur danach fragen, was wir Menschen mit der Erde machen, sondern auch umgekehrt fragen: Was macht die Erde mit uns Menschen? Nur die Kombination aus beiden Fragen ermöglicht es uns, die tiefen Zusammenhänge zu verstehen, aus denen das Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt, und damit das Phänomen des anthropogenen Klimawandels, entstehen.
Der Climate Walk ist ein Projekt, welches diese beidseitige Verstrickung anerkennt, und neue Erzählungen über Klimawandel finden möchte. Aber wie? Die Antwort mag in ihrer Einfachheit überraschen: Durch gemeinsames Wandern.
Beim Climate Walk geht ein Team aus jungen Aktivist*innen und Akademiker*innen – viele davon haben auf der Universität Wien studiert – auf einer Strecke von über 12.000 Kilometern der Frage nach, wie Menschen Klimawandel im hier und jetzt bereits erfahren. Ihr Weg führt sie vom Nordkap in Norwegen einmal quer durch Europa bis nach Cabo da Roca in Portugal. Die Route führt sie durch Wildnis, Siedlungen, Klein- und Großstädte, an Orte des Umweltkonflikts, entlang Küsten, Flüsse, Seen, durch Wälder, Wiesen, Steppen, Felder. Denn überall dort findet Klimawandel statt. Doch wie sieht er dort aus, wie woanders? Wie erleben ihn die Menschen da und dort? Was unterscheidet die Sorgen von Landwirt*innen in Belgien von denen in Spanien? Wie betrifft er Stadtbewohner*innen, wie ländliche Bevölkerungen? Was können sie alle dagegen tun? Mit Fragen wie diesen bewegt sich der Climate Walk bewusst weg von der abstrakten Erzählung des Klimawandels, wie sie oben kurz angeschnitten wurde, und rückt Menschen, deren Erfahrungen, und Landschaften in den Mittelpunkt. Denn das – so sind sich die Wanderers sicher – ist notwendig, wenn wir eine gerechte sozial-ökologische Transformation hin zu einer nachhaltigen Zukunft schaffen wollen.
Über eine Triade aus Forschung, Bildung und Kunst werden Klimafragen in Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen, Gemeinschaften und Organisationen entlang des Weges als praktische Fragen behandelt. So wird nicht nur akademisches Wissen generiert, sondern Bildungsarbeit in Form von Workshops geleistet, wo Fragen zu lokalem und globalem Klimawandel erörtert und gemeinschaftliche Lösungswege gefunden werden können. Kunstwerke und mediale Beiträge sollen einen menschlich-emotionalen Zugang zur Thematik Klimawandel ermöglichen. Die Kombination dieser Zugänge soll eine in den unmittelbaren Erfahrungswelten der Menschen verankerte Auseinandersetzung mit Klima anregen, die aber gleichzeitig die strukturellen Aspekte und globalen Zusammenhänge miteinbezieht.
Climate Walk – komm doch mit!
Dafür braucht es eine grenzüberschreitende Bewegung, der sich alle Menschen anschließen können. Wortwörtlich soll der Climate Walk die Menschen dazu bewegen, sich mit Klimawandel auseinanderzusetzen, und zwar nicht auf abstrakter Ebene, sondern im Kontext des eigenen individuellen und gesellschaftlichen Lebens. Sie sollen aber auch mit ihren Sorgen Gehör und Anschluss an eine Gemeinschaft finden, die ihnen Perspektiven für eine gemeinsam gestaltbare Zukunft im Einbezug Aller bietet.
Mit dem Climate Walk – Geh’ma Austria entstand aus einer pandemiebedingten Verschiebung des Climate Walks auf Juni 2022 die Gelegenheit, die Konzepte und Methoden auf kleinerer Ebene auszuprobieren, nämlich innerhalb Österreichs. Die Idee bleibt die gleiche, die Herangehensweise auch: Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen, gemeinsames Wandern, neuen Erzählungen Raum und ungehörten Stimmen Gehör geben. Die Route führt einmal quer durch Österreich, von Vorarlberg ostwärts nach Wien. Gemeinsam mit Partnerorganisationen aller Art – darunter die Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie – wird auch hier beginnend mit 3. Juli 2021 eine gemeinsame Bewegung für alle geschaffen, die Forschung, Bildung und Kunst miteinander verbindet.
👉 Falls du auch Interesse hast, kontaktiere gerne die Wanderers unter contact@climatewalk.eu. Denn nur gemeinsam können wir uns auf eine nachhaltige Zukunft zubewegen. Im übertragenen und im wortwörtlichen Sinne.
Forscher*innen versuchen im Rahmen der aktuellen Semesterfrage mit Interviews, Videos und Blogbeiträgen Fragen rund um das Anthropozän zu finden und Antworten aus der Wissenschaft zu geben. Alle Beiträge gibt es im uni:view Magazin sowie auf den Social Media-Kanälen unter #SEMESTERFRAGE.
Dieser Blogbeitrag ist wie eine Mischung aus Abenteuerroman und Wissenschaftsthriller – man kann förmlich die Hitze der Lava spüren und den Schwefelgeruch in der Luft riechen! Was mich besonders fasziniert: Wie habt ihr es geschafft, trotz des stürmischen Wetters und der unvorhersehbaren Naturkräfte, so viel wissenschaftliche Präzision und Akribie in eure Beobachtungen zu legen? Welche Herausforderung war für dich persönlich die größte auf dieser Reise?
Zu meiner Zeit hat es soetwas leider noch nicht gegeben. Super, dass das noch dazu auch noch überparteilich ist. Klimaschutz ist die wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit. Ewiges Wachstum gibt es nicht. irgendwann ist es vorbei. Der Kapitalismus wird fossil dominiert bleiben. So kann es nicht weiter gehn.