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Citizen Science Award 2019 von Barbara Heinisch und Didone Frigerio
am 27. November 2019
ungefähr 7 Minuten
Kategorien: Forschung
Themen: Citizen Science Award , Sprachwissenschaft , Verhaltensbiologie

Citizen Science Award 2019

Wenn Hobbyforscher*innen aktiv zu wissenschaftlicher Forschung beitragen und z.B. Daten sammeln oder analysieren, dann handelt es sich um Citizen Science. Wenn Hobbyforscher*innen am Citizen Science Award teilnehmen, dann können sie auch noch etwas gewinnen. Dabei werden die besonders fleißigen Citizen Scientists, d.h. Schulklassen und Einzelpersonen mit Preisen ausgezeichnet.

Heuer nahmen zwei Citizen-Science-Projekte der Universität Wien am Citizen Science Award 2019 teil. Das Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“ forderte Teilnehmer*innen dazu auf, Sprache von Schrift im öffentlichen Raum zu sammeln. So geben z.B. wirksam auf einem Werbeplakat eingesetzter Dialekt oder mehrsprachige Ladenschilder in Tourismusregionen Auskunft über die Sprachlandschaft Österreichs.

Im immer noch laufenden Projekt „NestCams“ wiederum konnten die Teilnehmer*innen online mithelfen, das unterschiedliche Brutverhalten von zwei Vogelarten, nämlich Graugänsen und Waldrappen, zu bestimmen. Die Beteiligung erfolgt durch das Ansehen und Beschreiben kurzer Kameraaufnahmen von den Nestern. Die Daten sollen den Verhaltensbiolog*innen helfen, Begründungen für Erfolg und Misserfolg dieser Vögel bei der Brut zu finden. Der Bruterfolg der Tiere, also die Anzahl der erfolgreich großgezogenen Jungen, gilt als ganz wichtiger Faktor zum Erschließen deren biologischer Fitness.

Warum wir unsere Projekte zum Citizen Science Award 2019 angemeldet haben

Der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanzierte Citizen Science Award ist eine nette Möglichkeit, die Teilnehmer*innen an unseren Projekten, die sogenannten Citizen Scientists für ihre Mühen zu belohnen und ihnen Anerkennung für ihre Beiträge bei einem Festakt zu zollen. Ein angenehmer Nebeneffekt war, dass uns das Netzwerk des Zentrums für Citizen Science ermöglicht hat, einen weiteren Personenkreis und neue Teilnehmer*innen zu erreichen.

Im Mitmachzeitraum von April bis Juli machten sich dann Schulklassen und Einzelpersonen auf Schilderjagd bzw. ans Beobachten der Vögel in ihren Nestern.

Und die Zahlen sprechen für sich: Im Projekt „Deutsch in Österreich“ wurden insgesamt 531 Bilder von Werbeplakaten, Graffiti oder Hinweisschildern gesammelt und analysiert. Besonders erfreulich bei „Deutsch in Österreich“ war, dass die Schüler*innen nach der Schilderjagd nun mit offeneren Augen durch die Sprachlandschaft Österreichs gehen und sich in ihrem Forschungsbericht mit wissenschaftlichen Fragestellungen zur Sprachlandschaft kritisch auseinandergesetzt und selbstständig Recherchen angestellt haben.

Am Projekt „NestCams“ beteiligten sich im Mitforsch-Zeitraum ca. 150 interessierte Hobbyforscher*innen aus Österreich (mittlerweile sind es über 1300 aus der ganzen Welt!) daran, das Brutverhalten der Graugänse und Waldrappe zu erfassen. Die Citizen-Science Plattform Zooniverse, auf der NestCams bereitgestellt wird, bietet dabei zusätzlich Platz für Diskussionen und einen beständigen, aktiven Austausch der Teilnehmer*innen untereinander und mit den Wissenschafter*innen.

SonderpreisgewinnerInnen
Die Freude war groß! © OeAD GmbH/APA-Fotoservice/Schedl

Was die Teilnehmer*innen vom Citizen Science Award 2019 haben

Am 19. November war es endlich soweit: Die engagiertesten Citizen Scientists wurden im Großen Festsaal der Universität Wien prämiert.

Die erfolgreichsten Schulklassen und Einzelpersonen, also jene, die die (qualitativ hochwertigsten und) meisten Bilder gesammelt bzw. die meisten Videos kodiert haben, konnten ihre Klassenkassa um einen erheblichen Betrag aufbessern oder gewannen attraktive Sachpreise. So z.B. gab es für die Gewinner*innen bei „Deutsch in Österreich“ ein Überlebenspaket für Outdoor-Linguist*innen, bestehend aus Regenschirm, Thermoskanne und was man sonst so benötigt, um für das Auffinden und Fotografieren von schriftlicher Sprache in den Regionen Österreichs – und darüber hinaus – unter freiem Himmel gerüstet zu sein. Außerdem konnten sie ihre Fundstücke mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen vergleichen, z.B. wo in Österreich eher „Patschen“ oder eher „Schlapfen“ zu einem warmen Hausschuh gesagt wird.

Die Gewinner*innen bei „NestCams“ konnten deren Klassenkassabetrag ebenso aufstocken. Die Einzelpersongewinnerin gewann für ihre Teilnahme eine Urlaubsreise nach Grünau im Almtal, wo die Verhaltensforschung an den Wildvögeln stattfindet und erhielt zusätzlich eine Eintrittskarte für das Biologicum Almtal. Besonders erfreut war zudem die Klasse der NMS Scharnstein (OÖ) über ihren Gewinn für die kreativste Dokumentation der Teilnahme am Citizen Science Projekt. Sie zeigten in ihrem Videoclip, wie sie engagiert mit einem demokratischen „Thumbs Up“-Abstimmsystem gemeinsam die gestellten Fragen zum Brutverhalten der Vögel beantworteten.

Die Krönung: Die Festveranstaltung zum Citizen Science Award Tag

Vor der großen Festveranstaltung am Nachmittag gab es im Rahmen des Citizen Science Award Tages ein vielfältiges Programm, das von allen Citizen Science Projekten gestaltet wurde.

Interessierte konnten sich bei den Workshops von „Deutsch in Österreich“ mit Sprachlandschaften auseinandersetzen und ihre eigene sogenannte äußere und innere Mehrsprachigkeit untersuchen. So deckten sich unsere „Ergebnisse“ dazu mit jenen von diversen Forschungsfestivals: Die Schüler*innen sprechen im Durchschnitt 2-3 Sprachen und 1-2 Varietäten des Deutschen, z.B. Dialekt. Außerdem konnten die Teilnehmer*innen bei der linguistischen Schnitzeljagd auf Schriftsafari gehen.

Im NestCams-Workshop machten sich die Teilnehmer*innen kollektiv mit den Verhaltensweisen der Vögel vertraut und kodierten (beschrieben) anschließend selbst Nestvideos, die dann gemeinsam ausgewertet wurden. In dem Rahmen lernten alle Teilnehmer*innen die wissenschaftliche Konzipierung hinter dem Projekt kennen und erfuhren also, wie Daten von so vielen Menschen auf Verlässlichkeit überprüft, und wissenschaftlich verwendbar werden. Inter-Observer Reliability war dabei ein großes Stichwort!

GewinnerInnen
Das sind die Gewinner*innen des Citizen Science Award 2019! © OeAD GmbH/APA-Fotoservice/Schedl

Was wir selbst mitgenommen haben

Für uns Wissenschafter*innen ist im Projekt „NestCams die Interaktion mit den Citizen Scientists besonders spannend, die uns mit ihrer Genauigkeit, der Wissbegierde und ihren Vorschlägen für Verbesserung oft überraschen und auch manchmal längere Diskussionen im Forscherteam auslösen. Die Erfahrung am Citizen Science Tag hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass man klarstellt, dass es kein „Richtig“ und „Falsch“ beim Bewerten gibt und es für die Teilnehmer*innen zusätzlich motivierend ist, wenn sie das Konzept der wissenschaftlichen Auswertung verstehen und eine genaue Einführung bekommen.

Im Projekt „Deutsch in Österreich“ mussten wir unser Konzept der linguistischen Schnitzeljagden, bei denen Interessierte auf dem Weg zwischen zwei Rätseln möglichst viele Bilder von Schildern und Plakaten machen mussten, umdenken, sprich neu konzipieren, um es an die Anforderungen des Citizen Science Awards anzupassen. Im Gegensatz zu unseren Schnitzeljagden hatten wir während des Mitmachzeitraumes beim Citizen Science Award keinen persönlichen Kontakt zu den Teilnehmer*innen. So war es für uns schwer abzuschätzen, wie es den Citizen Scientists mit der Aufgabe ging.

Und was sagen die Gewinner*innen zum Citizen Science Award? Unsere Teilnehmer*innen von Deutsch in Österreich bemerkten unter anderem, dass sie jetzt mit offeneren Augen durch die Straßen gehen und sich der Sprachlandschaft, in der sie sich (ständig) befinden, bewusster sind bzw. dass sie durch NestCams einen bedeutenden Beitrag zur aktuellen Verhaltensforschung leisten können.

Citizen Science (auf Deutsch „Bürgerwissenschaft“) macht es in jedem Fall möglich, eine Forschung zu betreiben, die mit den alleinigen Kapazitäten einiger weniger Wissenschafter*innen nicht realisierbar wäre. Citizen Scientists aus der österreichischen Gesellschaft (und auch international) können dabei Teil des Wissenschaftsprozesses sein und viel über die Forschungsthemen und das wissenschaftliche Arbeiten lernen. Wir laden daher alle interessierten Menschen noch einmal herzlich zum Mitforschen an den zahlreichen und vielfältig ausgeprägten Citizen Science-Projekten ein!


Barbara Heinisch und Didone Frigerio

Barbara Heinisch arbeitet am Zentrum für Translationswissenschaft, unter anderem im Citizen Science Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“. Ihr Forschungsinteressen sind Citizen Science, Lokalisierung, Technische Dokumentation, Usability, Barrierefreiheit, Terminologie und maschinelle Übersetzung. Didone Frigerio ist Verhaltensbiologin an der Konrad Lorenz Forschungsstelle der Universität Wien. Ihre Kolleginnen Larissa Schweiger und Julia Rittenschober betreuen den Austausch-Prozess mit den Citizen Scientists.


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