Eine dramatische Konsequenz der Klimaerwärmung ist der weltweite Biodiversitätsverlust. Besonders stark betroffen sind Korallenriffe – die Regenwälder der Ozeane. Gab es solche warmen Klimaperioden wie heutzutage bereits in der Vergangenheit und wie haben die Korallen damals reagiert? Und wie werden sie sich in Zukunft unter steigenden Temperaturen verhalten? WissenschafterInnen am Institut für Paläontologie der Universität Wien beschäftigen sich mit diesen Fragen und lehren die nächste Generation mariner NachwuchsforscherInnen. Angelina Ivkić vom FWF-Projekt „Red Sea coral reefs: A Pleistocene-Recent comparison” erzählt uns, wie wir in der Vergangenheit nach Hoffnung für die Zukunft suchen können.
Korallen: Der Verlust eines wichtigen Partners
Seit meiner frühesten Kindheit habe ich alle meine Sommer an der kroatischen Küste verbracht und seit ich denken kann, gibt es nichts Spannenderes als das Meer für mich. Daher habe ich nicht nur früh schwimmen gelernt, sondern wollte auch sofort schnorcheln.
Nach kurzem Betteln bekam ich schließlich eine eigene Maske und Flossen geschenkt und ab diesem Moment war ich nicht mehr aus dem Wasser zu holen. Riesige Fischschwärme die um die Wette schwimmen, Seeigel die den Boden abgrasen, merkwürdige Seegurken die sich am Boden schlängeln und hunderte von kleinen Schnecken auf und unter jedem Stein, begeisterten mich jeden Tag, den ich im Meer verbrachte, aufs Neue. Da die Faszination mit den Jahren immer größer wurde, war in meiner Jugend klar: als nächstes muss ich den Tauchschein machen und Meeresbiologin werden! Kurz darauf durfte ich mich zu einem der glücklichen Menschen zählen, die zwischen Korallenriffen tauchen. Ich fand die schönsten Korallen, Fische und die größte Diversität an Organismen, die man sich vorstellen kann. Aber leider sah ich auch gebleichte Korallenriffe die kaum bewohnt und dem Ende nahe waren. Sofort fragte ich mich, wie so etwas überhaupt passieren konnte, und noch wichtiger: Wird es so weitergehen und was bleibt von unseren Korallenriffen übrig?
Die Ursache der Korallenbleiche und dem anschließenden Tod von vielen Korallen ist die Klimaerwärmung. Die Emission von CO2 führt durch den Treibhauseffekt zu einem globalen Anstieg der Temperaturen und ein Teil der Wärme wird vom Ozean absorbiert, wodurch die Meerestemperaturen ebenfalls ansteigen. Korallen reagieren darauf mit der sogenannten „Korallenbleiche“ – dem Ausschluss ihrer symbiontischen, bunten Partner, der Zooxanthellen, aus ihrem Gewebe und ihr weißes Kalkskelett wird sichtbar. Zooxanthellen versorgen den Korallenpartner mit Energie, indem sie Photosynthese betreiben und tropische Korallen, die an das Leben in dieser Symbiose angepasst sind, können ohne sie nicht langfristig überleben. Deshalb führt Korallenbleiche häufig zum Tod von Korallen.
Eine weitere Konsequenz der erhöhten Meerestemperaturen ist ein Anstieg von Krankheiten, die Korallen befallen. Daher sind unsere Korallenriffe unmittelbar gefährdet, solange die Temperaturen weiter ansteigen. Wenn wir die genauen Reaktionen der Korallen verstehen wollen, müssen wir allerdings auch bedenken, dass biologische Anpassungen stattfinden können. Manchmal schaffen es Korallen neue, Temperatur-resistentere Zooxanthellen nach einer Korallenbleiche aufzunehmen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie ihre biogeographischen Reichweiten weiter in den Norden und Süden, wo die Temperaturen geringer sind als am Äquator, ausweiten können. Heißt das, es gibt Hoffnung für unsere Korallenriffe?
Vergangenheit oder Zukunft?
Die Vergangenheit ist eine Schlüsselkomponente um diese Frage zu beantworten. Wir können Perioden mit wärmeren Temperaturen, aber ähnlichen Artenzusammensetzungen erforschen, um mögliche Reaktionen in der Zukunft zu verstehen. Haben Korallen es geschafft, sich in der Vergangenheit an höhere Temperaturen anzupassen oder sind sie gestorben? Haben sie Gebiete weiter nördlich und südlich als heute besiedelt? Zusätzlich ermöglicht uns der Blick in die Vergangenheit besser zu verstehen, welche Kombination aus Ursachen zu dem rezenten Rückgang von Korallen geführt hat. Welche Rolle haben Riff-Fische und was ist der Effekt von erhöhten Nährstoffkonzentrationen?
Mit unserem FWF-Projekt versuchen wir einige dieser Fragen mit Hilfe der Korallen im Roten Meer zu beantworten. Österreich hat eine lange Tradition der Forschung im Roten Meer, beginnend mit den „Abenteuern im Roten Meer“ von Hans Hass, der vielen von uns bekannt ist. In unserem Projekt arbeiten wir mit internationalen ForscherInnen, um fossile und rezente Korallenriffe entlang eines Breitengradienten im Roten Meer zu vergleichen.
Während einer Warmperiode im Pleistozän, genannt MIS5e (oder Eemian) vor ungefähr 125.000 Jahren waren die Temperaturen etwas höher als heutzutage. Daher eignet sich MIS5e als Analog für unsere Zukunft unter höheren Temperaturen. Damals war die Artenzusammensetzung der Korallen im Roten Meer der heutigen sehr ähnlich. Die Verteilung und Häufigkeit der fossilen Korallen kann uns daher Einblicke in die Zukunft der Korallenriffe geben. Potentielle biogeographische Verschiebungen können untersucht werden. Zusätzlich werden wir Sedimentkerne aus dem heutigen Riff untersuchen, um uns die Veränderungen der letzten Jahrzehnte anschauen zu können. Schlussendlich werden wir alle Informationen in einem statistischen Modell vereinen, um zukünftige Korallen-Hotspots in einem wärmeren Roten Meer zu ermitteln.
Klimaerwärmung: Langfristige Lösungen gesucht
Langfristig müssen wir Möglichkeiten finden, unsere CO2-Emissionen zu reduzieren und das Bewusstsein und Wissen über die Konsequenzen der Klimaerwärmung müssen weiter gestärkt werden. Projekte wie unseres verbessern die Kenntnisse über Adaptationsmechanismen und helfen, zukünftige Biodiversitäts-Hotspots zu ermitteln. Der Schutz dieser zukünftig wichtigen Regionen vor zusätzlichen Stress-Faktoren wie Überfischung oder erhöhtem Nährstoffeintrag kann die Möglichkeit für ein langfristiges Überleben der Korallen steigern.
Außerdem ist es wichtig, die Korallenarten so präzise wie möglich zu bestimmen, damit Fehlinterpretationen ausgeschlossen werden können. Vorlesungen zur Biologie und Geologie von Korallenriffen sowie Geländeaufenthalte am Roten Meer werden von Prof. Martin Zuschin während der kommenden Semester angeboten. Zusätzliche Neuigkeiten und Informationen über unser Projekt und die angebotenen Kurse können auf unserer Homepage gefunden werden.
Angelinas Beitrag ist im Rahmen der aktuellen SEMESTERFRAGE zum Thema „Wie schützen wir die Artenvielfalt?“ entstanden. Mehr Beiträge von WissenschafterInnen der Uni Wien lest ihr in uni:view.
Dieser Blogbeitrag ist wie eine Mischung aus Abenteuerroman und Wissenschaftsthriller – man kann förmlich die Hitze der Lava spüren und den Schwefelgeruch in der Luft riechen! Was mich besonders fasziniert: Wie habt ihr es geschafft, trotz des stürmischen Wetters und der unvorhersehbaren Naturkräfte, so viel wissenschaftliche Präzision und Akribie in eure Beobachtungen zu legen? Welche Herausforderung war für dich persönlich die größte auf dieser Reise?
Zu meiner Zeit hat es soetwas leider noch nicht gegeben. Super, dass das noch dazu auch noch überparteilich ist. Klimaschutz ist die wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit. Ewiges Wachstum gibt es nicht. irgendwann ist es vorbei. Der Kapitalismus wird fossil dominiert bleiben. So kann es nicht weiter gehn.