Nach unzähligen Seiten Pflichtlektüre, Monaten der Vorlesungsbesuche und Stunden des Paukens, berichtet Isabella Kaemmerer von einer besonderen StEOP-Erfahrung.
Wenn ich an eineinhalb stündige Einführungsvorlesungen denke, tauchen vor meinem inneren Auge Bilder von Frontalvorträgen auf, in denen monoton über ein Thema referiert wird. Die StEOP von Theater-, Film- und Medienwissenschaft hat mir gezeigt, dass Vorlesung auch anders kann.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich mich Mitte November mühevoll aufraffen musste, doch in die Vorlesung zu gehen. Es war die erste Einheit vom neuen Block „Theaterwissenschaft“ und letzten Endes siegte die Neugier, weil ich wissen wollte, wer die neue Professorin Anke Charton war. Nach fünf Minuten wusste ich, dass es sich mehr als ausgezahlt hatte, meine Netflix-Session 2 Stunden nach hinten zu verlegen, einen Fuß vor die Tür und in das Audimax zu setzen.
Vielleicht war es die Verbundenheit, weil mein allererstes Semester an der Uni Wien damals ebenfalls „ziemlich Kafka“ war, vielleicht waren es auch die Mini-Formate innerhalb der StEOP, die mich aufhorchen ließen oder die Bemühungen die Vorlesung so interaktiv wie nur möglich zu gestalten: Ich war da und ich war bereit.
Los ging die wilde Fahrt
Die Vorlesungen waren so konzipiert, dass zu Beginn, nach einer kurzen Einführung, TheatervermittlerInnen „ihr“ Theaterhaus vorstellten. Das Werk X sorgte einmal mit laut dröhnenden Boxen für Aufsehen, das Brut begeisterte mit seinem aktuellen Programm und das Volkstheater volkstheaterte vor sich hin. Aus vielleicht noch unbekannten Theaterhäusern wurden Orte, an denen spannende Dinge vor sich gehen. Für mich war es spannend zu sehen, wie sich die verschiedenen Theaterhäuser vor Interessierten und zukünftigen KollegInnen darstellen und in der Wiener Theaterlandschaft positionieren.
So bekommt man einen Überblick und kann für sich ein Theater finden, das auf Anhieb interessant ist.
Danach wiederholte Anke Charton die wichtigsten Punkte der letzten Einheit auf Englisch. Da ich in allem potenzielle Prüfungsfragen sah, kritzelte ich wild alle Punkte herunter und rief sie mir so auch wieder ins Gedächtnis.
Oft verstand ich erst in diesem Moment, um was es ging, da alles Zeit hatte, sich zu setzen. (Manchmal auch später.)
Nach der englischen Wiederholung gab es in der Vorlesung von Anke Charton auch die Formate #steophack und #unilifehack. Der #steophack war ideal für erfahrene TheatergängerInnen oder kreative Google-Suchanfragen. Hier konnte man zwei Freikarten für ein Stück in dem am Anfang vorgestellten Theaterhaus gewinnen, wenn man aus dem Bild das dazugehörige Theaterstück erraten konnte und es so schnell wie möglich auf die Plattform Moodle stellte. (Die Begriffe wurden teilweise in Sekundenschnelle von KollegInnen hochgeladen. Respekt!)
Theorie weiter gedacht
In den Einheiten gab es natürlich auch theoretischen Input, der sich auf die Texte stützte, die bis zu der jeweiligen Einheit zu lesen waren. Fragen, wie diese wurden beantwortet: Was ist Theaterwissenschaft? Was ist überhaupt Theater? Und welche Rolle spiele ich beim Finden einer Definition?
Es war spannend, sich mit den Begriffen des Theaters, der Theatergeschichte und der Performativitätstheorie auseinanderzusetzen. Oft sind es aber die Texte, bei denen man es am wenigsten erwartet, die einen den (geistigen) Boden unter den Füßen wegziehen. Mich hat „Das wilde Denken“ von Lévi-Strauss sehr zum Nachdenken bewegt.
Was mir allgemein sehr gut am theoretischen Input gefallen hat, ist, dass uns nicht nur Definitionen von TheoretikerInnen vorgelegt wurden, sondern dass auch immer die Positionen von WissenschafterInnen und unsere eigene Position in die Überlegungen eingeflossen sind. Auch wie Wissenschaft funktioniert, wurde thematisiert und die Fachgeschichte des Instituts der Theater-, Film und Medienwissenschaft. Das sorgt nicht nur dafür, dass wir unser Wissen und Wissen von anderen besser in eine Perspektive setzen können, sondern den ganzen Entstehungsprozess, wenn noch nicht nachvollziehen, so zumindest andenken können. So eine Herangehensweise macht die Analyse und das Nachdenken nicht immer unbedingt einfacher, dafür aber um ein Vielfaches spannender.
Das einzige Verheerende in Anke Chartons Vorlesung war es, gedanklich abzuschweifen, weil man dann aufgrund ihres Sprechtempos zwei potenzielle Prüfungsfragen und drei neue Themenfelder verpassen konnte. Aber das kam zum Glück nur sehr selten vor.
great blog.