Wie wird Recht verständlich und sinnvoll designt? Dieser Fragestellung widmete sich Konstanze als Studierende der Rechtswissenschaften beim ersten Legal Design Sprint der Uni Wien. Lest im Blogbeitrag, wie sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen zeitgemäße Lösungen für aktuelle rechtliche Problemstellungen gefunden hat.
Was haben ein Smartphone, das Universitätsgebäude und das ABGB (Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch) gemeinsam? – Sie alle wurden von Menschen designt. Bei Design denken die meisten wahrscheinlich an Begriffe wie „Produktdesign“ oder „(Innen)architektur“. Die wenigsten würden auch Gesetzestexte als „designt“ bezeichnen. Doch in Wahrheit ist alles um uns herum designt. Denn die Art und Weise, wie an Problemstellungen herangegangen wird, hängt eng mit dem Design möglicher Lösungen zusammen. Wie werden Gesetzestexte verständlich? Welche Anordnung von Normen ist sinnvoll?
Gemeinsam an Lösungen arbeiten
Mitte Mai 2023 hatte ich gemeinsam mit anderen Studierenden der Rechtswissenschaften die Möglichkeit, das Konzept eines „Design Sprints“ auszuprobieren. Gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien hat das Team rund um Professor Iris Eisenberger den ersten Legal Design Sprint an der Universität Wien organisiert. Während wir als Rewi-Studierende uns in der Regel mit bestehenden Rechtsnormen und deren Auslegung befassen, bot diese Lehrveranstaltung eine neue Perspektive: Gemeinsam mit Praxisvertreter*innen aus dem Arbeitsrecht wurden Probleme des digitalen Zeitalters benannt und mithilfe von den Designexpert*innen des The Invisible Labs analysiert und Lösungen entwickelt.
Ein Problem, zu viele Ideen
Nach spannenden Impulsvorträgen ging es auch schon los mit dem Legal Design Sprint 2023. Denn der Name ist hier Programm! Innerhalb von rund 72 Stunden sollten wir zu unterschiedlichen Problemen aus der arbeitsrechtlichen Praxis Lösungskonzepte erarbeiten. Der Blick über den Tellerrand der aktuellen Rechtslage war dabei nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.
Meine Gruppe, bestehend aus Anna Lumerding, Hannah Romano, Sophia Witz und mir, beschäftigte sich mit dem Problem der Plattformarbeit. Plattformarbeit ist vielfältig: Von Webdesigner*innen über die Airbnb-Vermietung bis zu Fahrradbot*innen verbindet diese Berufsgruppen vor allem, dass sie über eine Plattform beauftragt werden. Aufgrund der fehlenden rechtlichen Regelung fallen diese Berufe größtenteils aus dem Arbeitsrecht heraus, was ihnen die Qualifikation als „Selbständige“ aufzwingt und den Schutz des Arbeitsrechts verwehrt.
Nachdem wir unsere Problemstellung mithilfe von Ilona Amann und Michael Gogola von der Gewerkschaft für Privatangestellte (kurz: GPA) identifizierten, ging es ans Brainstormen. Unsere Gruppe nutzte die Designmethoden der beiden Expert*innen Stefanie Egger und Christian Lepenik um den Horizont unseres rechtswissenschaftlich geprägten Denkens zu erweitern. Leichter gesagt als getan! Denn obwohl die Ideen nur so auf uns einprasselten, war es schwierig, Konkretes zu benennen, juristische Denkmuster aufzubrechen und sich auf ein bestimmtes Problem mit einer passenden Lösung zu fokussieren.
Platformer – Start to form your platform now
Viele bunte Zettel, ein bisschen Knetmasse, und vier heisere Stimmen später, hatten wir endlich ein Konzept entwickelt, das uns alle überzeugte: „Platformer“. Die Idee einer App war geboren, die es Plattformarbeiter*innen ermöglichen soll, ihre Arbeitsbedingungen einzuordnen, die richtige rechtliche Qualifikation zu erkennen, Hilfestellungen zu erhalten und in weiterer Folge auch von einem Netzwerk und damit kollektiver Organisation zu profitieren.
Wir wollten ein Konzept präsentieren, das wirklich Veränderung schafft. Wichtig war uns dabei ein niederschwelliger Zugang und die Möglichkeit zur raschen Umsetzung. Umso mehr hat es uns daher gefreut, die Jury in der Kategorie „Juristische Exzellenz“ überzeugt zu haben. Denn wir haben uns dazu entschlossen, das Projekt nun einen Schritt weiterzudenken und sind aktuell dabei, eine mögliche Umsetzung unserer App durchzudenken.
Den eigenen Horizont in 72 Stunden erweitern
Das waren 72 Stunden voller Möglichkeiten! Wir haben diskutiert, geschrieben, gebrainstormt, identifiziert und allem voran designt. Für 72 Stunden hieß es, das antrainierte Denken in Paragrafen und Randzahlen beiseitezulegen und unseren Horizont zu erweitern. Und siehe da: Ein gedanklicher Ausflug außerhalb der Rechtswelt hat es uns ermöglicht, für ein rechtliches Problem eine mögliche Lösung zu schaffen, die weiterdenkt und mit der Zeit geht.