Drei Biologiestudentinnen der Universität Wien, Gözde, Lisa und Theres, berichten über ihre Studienreise zur Erkundung der Artenvielfalt und Geschichte moderner und fossiler Korallenriffe in Mangrove Bay 30 km südlich der Küstenstadt El Quseir, Ägypten. Die Exkursion fand im Rahmen der von der Universität Wien angebotenen Übung “Ecology & Palaeobiology of coral reefs (Red Sea)” statt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Exkursion war das vorangehende Seminar “Preparation for the UE Ecology & Palaeobiology of coral reefs (Red Sea)”.
Studierende der Universität Wien tauchen ins Korallenriff
Am frühen Morgen des 14.10.2023 brachen 13 Biologiestudierende aus dem Bachelor- und Masterstudium, gemeinsam mit Univ.-Prof. Martin Zuschin, Dr. Jürgen Herler und Angelina Ivkić, MSc von der Universität Wien nach Marsa Alam, Ägypten auf. Ihr Ziel: das Riff von Mangrove Bay.
Schon vor der Abreise, obwohl sich die Studierenden noch kaum kannten, war allen klar, dass sie eine Gemeinsamkeit verbindet: das Interesse für das Meer und Korallenriffe. Zu den wohl bekanntesten Bewohnern eines Korallenriffes gehören Korallen, Fische und Weichtiere (Schnecken und Muscheln). Und so durften sich die Studierenden zu Beginn des Kurses aussuchen, welche Tiergruppe sie genauer unter die Lupe nehmen wollten. Gözde, Masterstudentin in Ecology and Ecosystems, entschied sich für die faszinierende Welt der Weichtiere und erforschte ihre Rolle schnorchelnd im Riff. Theres, die ebenfalls den Masterstudiengang Ecology and Ecosystems absolviert, tauchte buchstäblich in die Welt der Korallen ab und lernte die häufigsten und wichtigsten Korallenarten unter Wasser zu erkennen und deren Bedeutung für das Ökosystem Riff zu verstehen. Und Lisa, die Ökologie im Bachelor studiert, und sich besonders für die Vielfalt und Diversität von Fischen interessiert, hatte die Gelegenheit, zahlreiche Fischarten und deren Verhaltensweisen tauchend zu erkunden.
Riffe in Mangrove Bay
In diesem Kurs stand das Ziel im Vordergrund, die Vielfalt und Häufigkeit der Fisch-, Muschel- und Korallenarten in den Riffen von Mangrove Bay zu erfassen. Dafür wurde das Riff in verschiedene Tiefenabschnitte unterteilt: das Riffdach (0 m), die Riffkante ( 3- 5 m) und den Riffhang (8 – 10 m). Mindestens genauso wichtig für die Artengemeinschaften ist die Exposition gegenüber Wellen und Strömungen. Ein besonderes Merkmal der Riffe in Mangrove Bay ist, dass eine Seite innerhalb einer geschützten Bucht liegt, während die andere dem offenen Meer zugewandt und somit den Einflüssen von Meeresströmungen ausgesetzt ist.
Angewandte Methode
Um Daten zu erheben, wurde die Methode des sogenannten “Linientransekts” angewendet. Hierbei wurde ein 20 m langes Maßband auf Höhe des Riffdaches, der Riffkante und des Riffabhanges ausgelegt. Entlang dieser Linie wurden Muscheln, Schnecken, Korallen und Fischarten sorgfältig dokumentiert, fotografiert und gezählt. Um die Unterschiede zwischen dem von Wellen beeinflussten Gebiet und dem geschützten Bereich zu erforschen, haben wir Daten auf beiden Seiten des Riffs in den gleichen Tiefen gesammelt. Diese systematische Vorgehensweise erlaubt es nicht nur die absolute Anzahl der Arten, sondern auch ihre Verteilung in unterschiedlichen Habitaten zu verstehen.
Die Studierenden hatten nicht nur die herausfordernde Aufgabe, Daten vor Ort zu sammeln, sondern auch diese in Wien auszuwerten. Jede Gruppe erhielt ein individuelles Thema, für das sie einen Bericht verfassen musste, gestützt auf eine Literaturrecherche und die Analyse der eigenen, gesammelten Daten.
Die Grundlage eines Riffes: die Korallen
Korallenriffe entstehen durch die Symbiose von Tieren, den Korallen, und photosynthetisch aktiven Algen, auch Zooxanthellen genannt. Damit Riffe entstehen können, sind ausreichend Sonnenlicht und warme Wassertemperaturen notwendig. Zu hohe Temperaturen führen zum Farbverlust der Korallen – die Korallenbleiche. Sie entsteht aufgrund des Zusammenbruchs der Symbiose von Korallen und Zooxanthellen. Nicht nur das Rote Meer mit seinen 250 Korallenarten, sondern alle Korallenriffe weltweit sind vor Bleichereignissen nicht mehr sicher. Für die meisten, einschließlich mir, Theres, war es das erste Mal gebleichte Korallen live zu sehen. Auch wenn wir schon alle bereits viel über die Korallenbleiche gelernt hatten, war die Realität schockierend. Selbst in einem auf den ersten Blick “intakten“ Riff, gibt es Korallen, denen es so schlecht geht, dass sie ihre zum Überleben wichtigen Symbiosepartner nicht mehr halten können.
Zusätzlich zur Korallenbleiche hat sich die Korallengruppe auch mit dem Vergleich der Artenzusammensetzung in exponierten und geschützten Bereichen entlang des Tiefenprofils beschäftigt. Unsere Beobachtungen haben dokumentiert, dass sich die Artenzusammensetzung von Korallen in beiden Bereichen deutlich unterscheidet. So kommen etwa verzweigte Korallen wie die Gattung Acropora oder Pocillopora häufiger in exponierten Bereichen des Riffes vor.
Im Gegensatz dazu dominieren massiv wachsende Korallen wie die Gattung Porites geschützte Bereiche. Dort wo es viel Lichtenergie gibt (Riffdach) ist die Gattung Stylophora besonders häufig.
Eine weitere Besonderheit der Mangrove Bay Bucht: Es gibt nicht nur rezente sondern auch fossile Riffe zu entdecken. Die Korallengruppe dokumentierte die Diversität und den Zustand der Korallen und verglich diese Ergebnisse mit der Artenzusammensetzung der fossilen, 125 000 Jahre alten Riffe vor Ort.
Aus den fossilen Riffen konnten wir ableiten, dass diese hauptsächlich von der Gattung Galaxea dominiert wurden. Heute ist diese Gattung dort nur noch selten zu finden. Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass nur ca. ein Viertel der heute vorkommenden Korallenarten auch in fossilen Riffen vorkamen.
Die Muscheln und Schnecken (Weichtiere; Mollusken) von Mangrove Bay
Die Molluskengruppe hat sowohl die Korallengemeinschaft, als auch die Mollusken an der Riffkante untersucht und Unterschiede zwischen dem geschützten und exponierten Bereich erforscht. Da wir im seichten Wasser gearbeitet haben, mussten wir die Daten schnorchelnd erheben, was vor allem im exponierten Bereich sehr kräftezehrend sein konnte. Die einzelnen Organismen haben wir auf wasserfestem Papier vermerkt. Wir konnten auch einige interessante Schnecken (Gastropoda) und Muscheln (Bivalven) entdecken, von denen ich euch die spannendsten vorstellen möchte:
Tridacna, die Riesenmuschel, lebt wie viele Korallen in Symbiose mit Zooxanthellen. Die Algen verleihen den Mantellappen der Muschel ihre schöne Farbe und schützen sie vor UV-Strahlung. Außerdem liefern sie Tridacna wichtige Nährstoffe, knapp 70% des Bedarfs können auf diese Weise gedeckt werden. Im Gegenzug erhalten sie Phosphate und Kohlendioxid von der Muschel. Ähnlich wie bei den Korallen, kann auch Tridacna ihre Zooxanthellen verlieren und dadurch bleichen.
Dendropoma, die Wurmschnecke, hat womöglich eine der spannendsten Lebensweisen unter den Schnecken. Sie lebt festgewachsen zwischen verzweigten Korallen und wirft ein Netz aus, das aussieht wie ein Spinnennetz, um darin Plankton zu fangen. Anschließend zieht sie es wieder ein und verdaut dieses samt dem nährstoffreichen Inhalt.
Am sandigen Meeresboden in der Lagune haben wir einige Kegelschnecken gefunden. Bei diesen Schnecken muss man vorsichtig sein und darf sie nicht an der Mündung berühren, da sie einen Giftpfeil besitzen, den sie bei Berührung einsetzen können. Unser anfängliches Interesse für Mollusken wurde während des Aufenthalts verstärkt, zusätzlich haben wir sehr viel über Korallen gelernt. Unter den Weichtieren sind viele spannende Tiere sowie Lebensweisen zu entdecken.
Rifffische: bunte Farben, diverse Funktionen
Die Fischgruppe hat sich mit den Rifffischen des Mangrove Bay Hausriffes beschäftigt. Dank dem Vorbereitungsseminar, das wir im Sommersemester besuchten und das Voraussetzung für diese Exkursion war, konnten wir uns vor Ort dem praxisorientierten Lernen widmen, da wir schon fundiertes Grundwissen zu den ausgewählten Themenbereichen hatten. Wir haben uns vor unseren Tauchgängen, an Land, auf die große Fischdiversität mit Bestimmungsbüchern und Vorträgen vorbereitet.
Zusätzlich durften wir auf die Ergebnisse einer meeresbiologischen Forscher*innengruppe der Universität Tübingen zurückgreifen. Wir haben in unseren ersten Tauchgängen das Leben rund um die Korallenriffe beobachtet und infolgedessen eine Liste mit den 50 häufigsten Arten erstellt.
Fische aus den Familien der Falterfische, Papageifische, Riffbarsche und Kaiserfische waren besonders häufig anzutreffen.
Neben den Häufigkeiten haben wir auch das Verhalten der Rifffische beobachtet und daraus Rückschlüsse auf deren Rollen im Ökosystem Riff geschlossen:
Falterfische sind meistens in Paaren unterwegs, kleine Riffbarsche leben standortsgetreu in und um verzweigte Korallen, in die sie sich zurückziehen, sobald potentielle Räuber in ihre Nähe kommen. Papageifische beißen Korallenstücke mit ihrem starken, schnabelartigem Maul ab und scheiden sie als Sand wieder aus.
Die Ernährung der Rifffische kann sehr vielseitig sein, es gibt sogenannte Nahrungsspezialisten, aber auch Generalisten, die fressen, was sie finden. Manche Arten fressen ausschließlich Korallen oder kleinere Fische, andere hingegen zusätzlich Plankton.
Unsere Aufgabe war es Rifffische in einem ausgewählten Areal zu zählen, dieses haben wir vorsichtig mit Maßband und Schnüren abgegrenzt, die gesichteten Fische schon unter Wasser auf unserer Liste notiert und nach jedem Tauchgang in unsere Datenbank eingetragen. Alle Daten, die wir gesammelt haben, haben wir in einen wissenschaftlichen Bericht verpackt, sodass nachfolgende Studierenden/Forschenden der Meeresbiologie auf diese Daten zurückgreifen und gegebenenfalls mit zukünftigen Zählungen vergleichen können.
Trotz körperlich anstrengender Tätigkeiten hatten wir viel Spaß und genügend Energie, um an manchen Tagen noch sogenannte ‘fun dives’ zu erleben. Für uns war es ein ganz tolles Gefühl, genau zu wissen, welcher Rifffische an uns vorbeischwimmen und diese auch noch entspannt beobachten zu können.
Unser Fazit
Am 28.10.2023 kehrten wir mit viel neuem Wissen über Riffe und deren Bewohner*innen nach Wien zurück. Obwohl die Datenerhebung oft körperlich anstrengend war, erinnern wir uns mit Freude und Faszination an die Korallenriffe von Mangrove Bay. Das neu erworbene Wissen der drei Gruppen wurde regelmäßig untereinander ausgetauscht, sodass alle Teilnehmer*innen des Kurses die wichtigsten Erkenntnisse über Korallen, Weichtiere und Fische mitnehmen konnten. Eine sehr bereichernde Erfahrung und gleichzeitig ein krönender Abschluss unseres Aufenthaltes, war die Präsentation unserer Ergebnisse vor vielen interessierten Hotelgästen. Die intensive Beschäftigung mit dem Korallenriff und seinen Bewohner*innen hat unser Bewusstsein über seine Gefährdung gestärkt und uns veranschaulicht, dass man es schützen muss. Wir möchten uns herzlich bei unseren Betreuer*innen für die großartige Erfahrung bedanken und hoffen, dass in Zukunft weitere Studierenden diese einzigartige Möglichkeit wahrnehmen dürfen.