„Die haben sogar Leitungswasser. Da kann man seine Flaschen auffüllen“, höre ich Studieninteressierte hinter mir sagen. Ich schätze, sie sind im Matura-Alter. Am liebsten hätte ich mich wie eine nervige Werbeeinschaltung zu ihnen umgedreht und etwas gesagt wie: „Die Uni Wien kann noch viel mehr! Jedes Semester beginnen über 13.000 junge Menschen in 178 verschiedenen Studien hier ihr Studi-Leben. Die Universität Wien ist die größte Uni im deutschsprachigen Raum. Das muss man sich einmal vorstellen!“ und hätte wild mit einem Zeigefinger herumgefuchtelt. Aber ich wollte sie ja nicht verschrecken. Und außerdem habe ich mir ja vorgenommen, die Universität Wien an diesem Tag mit frischen Augen zu sehen. Denn heute besuche ich den zweiten Tag von uniorientiert – einer Veranstaltung, die die Uni all jenen näherbringen will, die sie noch nicht kennen. Also ein Tag der offenen Tür bzw. ein Meet-and-greet mit einer der bekanntesten und der ältesten akademischen Bildungsinstitutionen Österreichs. Im Programm gab es Probevorlesungen, Vorlesungen Live, Infovorträge, Exkursionen, Führungen, moderierte Gespräche mit AbsolventInnen und natürlich noch vieles mehr.
„Don’t stand on the toilet”
Gerade saß ich im Hörsaal 42 und hatte in Gespräche hineingelauscht, die mich nichts angingen, und wartete darauf, dass „Don’t stand on the toilet“, die Probevorlesung der Translationswissenschaft losging. Weil ich eine Schwäche für klingende und ausgefallene Titel habe, war die Wahl schnell auf diese Vorlesung gefallen. Gehalten wurde sie von der Koryphäe und dem Multiwissenschaftstalent Sabine Dengscherz – aber auch dieses Wissen versuchte ich zu unterdrücken, da ich ja so tun wollte, als wüsste ich nichts über die Uni, ihre Vortragenden und die vielen Wasserhähne.
Ich ließ mich von Sabine Dengscherz über die Uni, ihre Konventionen und die Besonderheit der Translation im professionellen Kontext informieren. Was sich vielleicht nicht so außergewöhnlich spannend anhört, wurde außergewöhnlich gut rübergebracht. Sabine Dengscherz zeigte uns, dass es schier unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Indem sie kurz den Hörsaal verließ und ebenso kurz nicht vorne am Pult stand, hatte sie uns etwas kommuniziert. Na bumm! Das war eine Probevorlesung nach meinem Geschmack. Ich fühle mich gefordert, meine Denk-Komfort-Zone zu verlassen.
Gründe an der Uni Wien zu studieren
Nachdem ich in Studierendenmanier etwas früher aus der Probevorlesung geschlüpft war, wollte ich mir noch die Infostände näher ansehen und ließ mir den Spaß nicht nehmen, auf dem Weg ein Boomerang-Gif von mir selber als „verrückte“ Wissenschaftlerin anzufertigen. Danach ging ich zwischen den unzähligen Infoständen hin und her und fragte aus Interesse nach, wieso Studierende, die hier engagiert und begeistert ihre Studienrichtung bewarben, gerade an die Uni Wien gekommen waren. Die Antworten waren nicht so vielzählig wie gedacht: So schien doch vor allem Wien einen wichtigen Grund bei der Entscheidung nach der „richtigen“ Uni gespielt zu haben.
In einer Hauptstadt zu studieren, die für ihre Lebensqualität bekannt ist, klingt ja auch für mich als Wienerin nach einer logischen Schlussfolgerung. Das würde ich vermutlich auch machen, wenn ich nicht von hier wäre. Ein Student teilte mir sein gefinkeltes Ausschlussverfahren mit: „Ich hab´ ja mit Jus angefangen und an die WU wollte ich auf keinen Fall“. Auch wenn man natürlich nicht alle Studierenden einer Uni über den Kamm scheren darf – ich hatte hierfür soeben von Sabine Dengscherz den Begriff „Othering“ kennengelernt – so sind es doch auch die Werte, die einen zu einer Bildungsanstalt hinziehen und von einer anderen abstoßen. So oder so ähnlich wird das wohl bei meinem nicht sonderlich wirtschaftlich interessierten Gegenüber gewesen sein.
Nachdem ich bei einem anderen Stand nachgefragt habe, ob das Studium nicht „ur schwer“ sei, antwortete die Kollegin mit den weisen Worten: „Es ist am Anfang sehr schwer, aber wenn du Bock hast, kannst du’s machen.“ Beim ersten Lesen wirken diese Worte banal, beim zweiten aber gar nicht mehr so verkehrt. Ich würde dasselbe auch über die Studienrichtungen sagen, die ich studiert habe und sogar über die Geisteswissenschaften im Allgemeinen. Es ist schwer, sich am Anfang in das wissenschaftliche Denken und seine Arbeits- und Kommunikationsweisen hineinzulesen und zu -fühlen, aber wenn man es geschafft hat, will man auch nicht mehr zurück. Und um ehrlich zu sein, kann man auch nicht mehr zurück. Wissen kann nicht ungewusst werden. Daher ist es eine Einbahnstraße, die nichtsdestotrotz lohnend ist, da man die Dynamik von wissenschaftlichem Fortschritt kennen und verstehen lernt. WissenschafterInnen und Studierende sind ständige WissensgeneriererInnen und sorgen in ihrem Fachbereich für Austausch und Fortschritt. Diese Leistung kann man als Außenstehende anfangs nur erahnen.
Nach meinem Ausflug zu uniorientiert ging ich wehmütig die ausladenden Stufen des Hauptgebäudes herunter. Leider musste ich mich schon wieder auf den Weg machen: Ich musste schließlich noch in eine Lehrveranstaltung. Meine kleine Tour durch die verschiedenen Institute und Räumlichkeiten der Uni Wien hatte sich auf alle Fälle ausgezahlt. Sie hatte mir wiedermal gezeigt: Man lernt nie aus. Gerade auf der Uni Wien nicht. Hier erwartet einen das Spannende und Neue, wenn man nur einmal um die nächste Ecke biegt.