Sprachlandschaft Österreich: Das Citizen Science-Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“ (IamDiÖ) beschäftigt sich unter Einbindung von Bürger*innen mit dem Gebrauch und der Wahrnehmung von der deutschen Sprache in Österreich.
Alle, die sich schon Mal gefragt haben, woher das Wort Tschick eigentlich kommt, sind nicht alleine. Das Citizen Science-Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“ sammelt Fragen rund um die deutsche Sprache, die der Bevölkerung unter den Nägeln brennen. Der Dialektausdruck Tschick wird in Österreich für Zigarette (in Abwandlung auch Tschicker*in (Raucher*in) und tschicken (rauchen)) verwendet. Die ausführliche Antwort auf die Frage liefert der Soziolinguist Manfred „Manzi“ Glauninger, der nach eingehender Recherche in einschlägigen Wörterbüchern und Datenbanken mit Korpora, d.h. Textsammlungen, zu folgendem Ergebnis kommt: Der Tschick (bzw. seltener die Tschick) stammt vom französischen Wort chique (‘Kautabakʼ) ab und hat seinen Weg über die italienische Form cicca (‘Kautabak, Zigarettenstummelʼ) in den österreichischen Sprachraum gefunden. Seit ungefähr 1800 wird Tschick dann auch in Österreich in Schriftbelegen verwendet, der über die Jugendsprache Eingang in die deutsche Sprache (und teils auch slawische Sprachen) gefunden hat. Die Bedeutung hat sich also von einer kleinen Menge Kautabak zu Zigarren- und Zigarettenstummel gewandelt.
Eine Befragung unter Sprecher*innen in Österreich wäre, laut Manfred Glauninger, ein weiterer Schritt, um Näheres zur Bedeutung und zum Gebrauch von Tschick in Österreich zu erfahren. Wie die Antwort auf diese Frage zeigt, gibt es also trotz einer ersten Antwort, noch weitere interessante Aspekte, die sprachwissenschaftlich erforscht werden können.
Wie sprichst du? Wie spricht Österreich? – Wie das Citizen-Science-Projekt IamDiÖ gemeinsam mit Bürger*innen die deutsche Sprache in Österreich erforscht
Vor allem bei Wissenschaftsveranstaltungen, wo Öffentlichkeit und Wissenschaft in Kontakt und regen Austausch treten, nützen Interessierte die Chance und stellen solche Fragen direkt an die Wissenschafter*innen. Damit die Fragen zum Thema „Deutsch in Österreich“, aber vor allem auch die Antworten Wirkung zeigen können, sammelt das Citizen Science-Projekt IamDiÖ diese im Rahmen der sogenannten „Frage des Monats“. Ist diese Frage in der Wissenschaft bereits bekannt und beantwortet, geben die Wissenschafter*innen von „Deutsch in Österreich. Variation – Kontakt – Perzeption“ (dem dazugehörigen Hauptprojekt) eine Antwort darauf. Welche Frage beantwortet wird, entscheidet die Community, indem sie auf den sozialen Medien abstimmt. Fragen können jederzeit eingereicht (und gerne auch selbst erforscht) werden.
Als Citizen Science-Projekt wird Wert daraufgelegt, dass die Frage nicht einfach “nur” beantwortet wird, sondern die Wissenschafter*innen auch einen Einblick in ihre Arbeitsweise und Methodik geben. So sollen alle Schritte des Forschungsprozesses dargestellt werden, damit sich Bürger*innen im besten Fall auf ähnliche Weise mit vergleichbaren Fragenstellungen selbst auseinandersetzen können – was erfreulicherweise auch passiert.
Ein weiterer Bereich, in dem Bürger*innen und Forschende bei IamDiÖ gemeinsam Wissenschaft betreiben, ist die Erschließung der Sprachlandschaft Österreichs. Damit Interessierte noch mehr Spaß am Sammeln, Verorten und Auswerten von Sprachlandschaftsdaten haben, gibt es eine spielerische Ergänzung: Bei linguistischen Schnitzeljagden machen sich Teilnehmer*innen alleine oder in der Gruppe auf die Suche nach Schrift im öffentlichen Raum, z.B. nach Werbung, Schildern, Graffiti usw. während sie den Hinweisen, wie bei einer klassischen Schnitzeljagd folgen. Ziel ist es, die Sprachlandschaft Österreichs zu erforschen, denn sie gibt Auskunft über die aktuelle Verwendung von verschriftlichter Sprache im öffentlichen Raum, z.B. Welche Sprachen oder Dialekte werden auf Werbeplakaten verwendet?
IamDiÖ – der Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit – zeigt Wirkung
Die gesellschaftliche Bedeutung von Varietäten (d.h. Dialekte, Jugendsprache, Umgangssprache, etc.) des Deutschen in Österreich, lässt sich nicht nur an den unzähligen Fragen des Monats, die an IamDiÖ herangetragen wurden, sondern auch an der Emotionalität mit denen das Thema Dialekte in Österreich diskutiert wird, ableiten. Darauf und auf ein großes Interesse an dem Thema deuten auch Fragen wie „Sterben Dialekte aus?“ oder „Gibt es überhaupt noch gutes Deutsch?“ hin.
Dass die deutsche Sprache kein einheitliches Konstrukt ist, ist uns allen bekannt. „Das macht sich nicht nur an Tomaten-Paradeiser– oder Erdapfel-/Grundbirn-/Kartoffel-Diskussionen auch innerhalb Österreichs zwischen Ost und West bemerkbar. Ur und voll/vull/voi/vui unterscheidet auch Stadt und Land sowie Jung und Alt. Wie inzwischen hinlänglich bekannt, ist oida nicht für alle Situationen geeignet – in anderen aber geradezu gefordert – und ab einer gewissen Seehöhe ist man plötzlich mit allen per du. Die Vielfältigkeit von Sprache(n) bietet unzählige Identifikations- und Ausdrucksmöglichkeiten – und hat somit gesellschaftlich Wirkung“, wie unser Kollege Ludwig M. Breuer immer zu sagen pflegt.
Das ist natürlich für die Gesellschaft wiederum spannend: Durch die Frage des Monats werden nicht nur Forschungslücken für die Wissenschaft verdeutlicht, der Forschungsprozess für Personen außerhalb der Wissenschaft aufgezeigt und generell neue Einsichten im Dialog mit den Teilnehmer*innen gewonnen, sondern auch konkretes (Sprach-)Wissen vermittelt, sowie Sprachmythen aufgedeckt. Die linguistischen Schnitzeljagden sind nicht nur Aktionen zur Sammlung und Analyse von Bildern zum Zwecke der Sprachlandschaftsforschung, sondern erhöhen auch Bewusstsein für die Sprachlandschaften, in denen wir uns bewegen und zeigen die Bedeutung des Einsatzes von Sprachen oder Dialekten im öffentlichen Raum auf.
In diesem Sinne wird sich IamDiÖ auch weiterhin der Vielfalt an Sprache(n) und Varietäten, wie z.B. Jugendsprache oder Dialekten in Österreich sowie Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt und ganz allgemein dem Gebrauch der deutschen Sprache in Österreich widmen und somit Wirkung entfalten.
Dieser Blogbeitrag ist wie eine Mischung aus Abenteuerroman und Wissenschaftsthriller – man kann förmlich die Hitze der Lava spüren und den Schwefelgeruch in der Luft riechen! Was mich besonders fasziniert: Wie habt ihr es geschafft, trotz des stürmischen Wetters und der unvorhersehbaren Naturkräfte, so viel wissenschaftliche Präzision und Akribie in eure Beobachtungen zu legen? Welche Herausforderung war für dich persönlich die größte auf dieser Reise?
Zu meiner Zeit hat es soetwas leider noch nicht gegeben. Super, dass das noch dazu auch noch überparteilich ist. Klimaschutz ist die wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit. Ewiges Wachstum gibt es nicht. irgendwann ist es vorbei. Der Kapitalismus wird fossil dominiert bleiben. So kann es nicht weiter gehn.