Global Player, Festung Europa oder Netzwerk? Medien machen die EU durch Metaphern greifbarer. Karin Bischof hat in ihrer Dissertation diese Darstellungen untersucht. In ihrem Blogartikel gibt sie Einblick in die Ergebnisse ihrer Forschung.
Kollektive Vorstellungen und Überzeugungen – Mythen, Metaphern und Narrative – interessieren mich, seit ich mich mit Politik und Gesellschaft beschäftige. Besonders spannend finde ich, wie und warum sie sich im Lauf der Zeit verändern und was diese Veränderungen über den politischen, sozialen und ökonomischen Wandel aussagen.
Metaphern machen politische Gebilde wie die EU begreifbar
Was Menschen – vermeintlich oder tatsächlich – eint, kommt in kollektiven Vorstellungen zum Ausdruck. Besonders deutlich wird das anhand von Metaphern.
Kernkonzepte des politischen Denkens und Handelns sind als Metaphern überliefert: Der Staat als Schiff oder Staatskörper, seine zentralen Handelnden als „Staatsorgane“ und seine Bürokratie als „Körperschaften“, die Gesellschaft als Organismus usw. Gerade diejenigen politischen Denker, die den Bezug auf Metaphern in der wissenschaftlichen Betrachtung vehement ablehnten, prägten besonders wirkmächtige Beispiele. Der Staatstheoretiker Thomas Hobbes sah Metaphern „als Ursache von Widersinn“ auf der Suche nach Wahrheit und verankerte den Leviathan als Metapher des modernen Staates in der Geschichte des politischen Denkens. Platon sah in Rhetorik und Dichtung generell die Ursache für das Verderben wahrhaft wissenschaftlicher Anlagen und prägte die Metapher des Staatsschiffs.
Ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt – gerade, was Kernkonzepte von Politik und politischem Denken angeht, ist Metaphorik offenbar unverzichtbar. Das ist unter anderem deshalb so, weil abstrakte und komplexe Sachverhalte durch Metaphern denkbar und begreifbar gemacht werden. Auf die Europäische Union trifft dies umso mehr zu, als es sich um ein äußerst komplexes, aus 28 Nationalstaaten bestehendes transnationales politisches Gebilde handelt.
Im Rahmen meiner Arbeit über EUropa-Metaphern im medialen Diskurs haben mich folgende konkrete Fragen beschäftigt:
- Gehen Metaphern der transnationalen EU über Vorstellungen des Nationalen hinaus oder reproduzieren sie diese?
- Was sagen sie über Geschlechternormen aus?
- Und welche Rückschlüsse ermöglichen diese sprachlichen Bilder des europäischen Eigenen auf den Umgang mit den Anderen?
Verschiebungen als Deutungskämpfe – Global Player, Festung Europa, Netzwerk
In meiner diskursanalytischen Untersuchung des politischen Diskurses in Printmedien vor gut zehn Jahren tauchte die Metapher der „Festung Europas“ noch kaum auf. Wenn sie vorkam, dann im negativen Sinn und meist unter Anführungszeichen, als etwas, zu dem EUropa nicht werden soll. Kaum jemand wollte EUropa als Festung sehen.
Zentralen Stellenwert hatte hingegen – weitgehend unabhängig von der weltanschaulichen und parteipolitischen Positionierung – die neoliberale Figur des Global Player als Wunschbild dessen, was EUropa sein und werden soll: Ein dynamischer Spieler auf dem Spielfeld von Weltwirtschaft und Weltpolitik, der den „großen Jungs“ den Ball abnimmt, ein durchtrainierter ökonomischer Player mit „Sixpack“, der im globalen Wettkampf die Gegner übertrumpft. Ansonsten drohe nämlich, so die zugrunde liegende Annahme, Fremdbestimmung und Ohnmacht. Sich aus der Perspektive eines Global Player Fremdbestimmung und Ohnmacht ausgeliefert zu sehen, lässt leichter „begreifen“, warum Wirtschaftswettbewerb wichtiger ist als Sozialpolitik. Die Vorstellung eines sozialen Europa spielt im untersuchten Diskurs nur eine marginale Rolle. Wenn, dann taucht sie meist im Zusammenhang mit einer Abgrenzung zu den USA auf.
Hier wird einerseits deutlich, dass Metaphern manche ideologischen Sichtweisen legitimieren und andere de-legitimieren können. Sie transportieren und verfestigen dabei bestimmte Geschlechternormen – in diesem Fall eine bestimmte hegemoniale Vorstellung von Männlichkeit. Andererseits zeigt das Beispiel, dass eine solche Metapher auch (körperbezogene) Affekte erzeugt, hier die Angst vor Fremdbestimmung und Ohnmacht. Dies verstärkt den Effekt der „Selbstverständlichmachung“ eines Vorrangs des Ökonomischen.
Metaphern aus dem Bereich Kampf und Konkurrenz lassen sich in der Analyse oft finden
Die Annahme vieler ForscherInnen, dass im transnationalen Kontext Netzwerkmetaphern stärker zum Einsatz kommen und die für das Nationale typischen, hierarchisch strukturierten Körpermetaphern eher ablösen, bestätigt sich in der Analyse nur sehr eingeschränkt. Zwar kommen Sprachbilder eines EUropa als Verkehrsnetz oder als Verkehrsmittel, das sich in verschiedenen Geschwindigkeiten (zum Beispiel in Richtung EU-Erweiterung) bewegt, oft vor. Die metaphorische Logik von Verkehrsnetzen gibt Komplexität wieder und betont einen dynamischen Aspekt der Vorwärtsbewegung bzw. die Verbindlichkeit der Erweiterung. Allerdings finden sich EUropa-Metaphern aus dem Bereich Kampf und Konkurrenz fast doppelt so häufig, und vor allem viel stärker an wesentlichen Stellen der Argumentation.
Darin ist wiederum die zentrale Metapher eine Körpermetapher, nämlich der Global Player. Anders als im Repertoire der typischen Sprachbilder für den Nationalstaat, handelt es sich dabei allerdings nicht um einen „politischen Körper“, der staatliche Autorität darstellt. Vielmehr geht es um einen – durchtrainierten – ökonomischen Körper mit „Sixpack“, der im globalen Wirtschaftswettbewerb gegen die anderen ökonomischen Spieler antritt.
In der Logik dieses Global Player, der das Primat der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit als Grundlage politischer und gesellschaftlicher Existenzfähigkeit festlegt, ist zudem ein bestimmter Umgang mit den (nicht europäischen) Anderen angelegt. Wer die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt, also dynamische, gut ausgebildete und leistungsfähige MigrantInnen, kann im Prinzip inkludiert werden.
Europa sollte nicht zur Festung werden
Würde man eine solche Studie nochmals für den aktuellen politisch-medialen Diskurs durchführen, so sähe das Ergebnis wahrscheinlich deutlich anders aus. Jedenfalls was die Bezüge auf eine „Festung Europa“ im politisch-medialen Diskurs betrifft, ist eine deutliche Verschiebung anzunehmen. Zumal in diversen, medial transportierten Aussagen von PolitikerInnen mittlerweile explizit eine „Festung Europa“ gut geheißen und gefordert wird.
Umgelegt auf die Ausgangsfrage danach, was Europa eint, bedeutet dies Folgendes: die Vorstellung von Europa, die im politisch-medialen Diskurs vor gut 10 Jahren am stärksten geteilt wurde und als einend beschrieben werden kann, ist die eines konkurrenzfähigen Global Player. Was Europa nicht werden sollte, war eine „Festung“. Also ein (lückenlos gesichertes) Gebäude, das die Anderen mit militärischen Mitteln draußen halten soll, weil sie als Bedrohung wahrgenommen werden. Die diskursiven Verschiebungen, die sich hier andeuten, verweisen darauf, dass sich kollektive Vorstellungen rasch verändern können – etwa im Zuge von Deutungskämpfen um Krisen und darauf bezogene medial transportierte Ereignisse.
Literatur
Bischof, Karin (2015). Global Player EU. Eine ideologiekritische Metaphernanalyse, Bielefeld: transcript.