Alle Beiträge
am 15. Dezember 2024

Mit KWA in den bolivianischen Anden

Forschungsaufenthalt in den bolivianischen Anden – Einblick und Förderung

Im Mai 2024 hatte ich durch Förderungen seitens der Universität Wien das Privileg, einen Forschungsaufenthalt in Bolivien für mein Dissertationsprojekt zu absolvieren, das sich dem Thema der Mobilisierung von Recht durch indigene Akteur*innen im interamerikanischen Menschenrechtssystem in Zeiten der Klimakrise widmet.

 

Universidad Andina Simón Bolívar: Ausgangspunkt der Forschung

Mein Hauptstandort war die Universidad Andina Simón Bolívar (UASB) in Sucre. Dort bot man mir als Visiting Researcher nicht nur einen eigenen Schreibtisch, sondern brachte mir bei meiner Ankunft – aufgrund meines wohl gehetzt wirkenden Atmens – einen Coca-Tee, der gegen Übelkeit und Kopfschmerzen bei einer Höhe von immerhin ca. 2.800 m ü. M. helfen sollte. Die Universität war ein guter Ausgangspunkt für meine eigene Untersuchung: So war es durchaus einfacher, Zugang zu diversen Ressourcen, wie etwa Universitätsbibliotheken oder der bolivianischen Nationalbibliothek (Archivo y Biblioteca Nacionales de Bolivia), zu bekommen. Die einschlägige spanischsprachige Literatur, die ich in Bolivien entdeckte, war in solchem Maße bedeutsam für mich, dass ich durch die vielen Besuche in Buchgeschäften und Bibliotheken mit fast 10 kg mehr Gepäck als bei meiner Hinreise nach Wien zurückkam. Diese Bücher findet ihr nun auch in unserer Universitätsbibliothek.

 

Kulturelle und historische Vertiefung: Der Cerro Rico in Potosí

Die Bedeutung des Aufenthaltes für meine eigene Forschung und meine Weiterentwicklung als Wissenschaftlerin lässt sich aber nicht nur an meinem Gepäck bemessen. Während meines Aufenthalts in Sucre konnte ich tief in die bolivianische Kultur und Geschichte eintauchen.  Ich setzte mich u.a. mit der Geschichte des Cerro Rico („Reicher Berg“) bei Potosí auseinander, der ab 1545 eine zentrale Silberquelle für das spanische Kolonialreich war, jedoch Millionen von indigenen und afrikanischen Zwangsarbeiter*innen das Leben kostete. Indigene Aufstände gegen die spanische Kolonialregierung wurden über Jahrhunderte blutig niedergeschlagen.

 

Minenarbeit am Cerro Rico in Potosí
Minenarbeit am Cerro Rico in Potosí

 

Verknüpfung von Kolonialgeschichte, Ressourcennutzung und indigenen Rechten

Die Geschichte des Cerro Rico steht symbolisch für die Ausbeutung und Marginalisierung indigener Völker und sie zeigt, wie eng menschliches Handeln, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Missachtung indigener Rechte miteinander verwoben sind. Dabei stellt sich die Frage, welche Kontinuitäten dieser kolonialen Praktiken in aktuellen sozioökologischen Konflikten erkennbar sind und inwieweit sich Brüche oder neue Ansätze im Umgang mit indigenen Rechten und Ressourcen abzeichnen.

 

Expert*inneninterviews: Politische Partizipation und die Klimakrise

Daraufhin besuchte ich in La Paz und Santa Cruz de la Sierra die Hauptbüros verschiedener indigener Organisationenwo ich Expert*inneninterviews führte. In meinem semistrukturierten Leitfaden hatte ich Fragen und Stichworte notiert, etwa zu den verfassungsgebenden Prozessen, die 2009 in einer neuen Verfassung mündeten, oder zu „Land Grabbing“ und dem Voranschreiten der sog. frontera agrícola, kurz gesagt des Gebietes, in dem Landwirtschaft und Viehzucht betrieben werden. Ich erfuhr von meinen Gesprächspartner*innen mehr über ihre Wege politischer Partizipation und die Einflüsse der Klimakrise auf ihre Rechte, was ich als unverzichtbar für eine kritische Auseinandersetzung mit meinem Dissertationsprojekt, empfand.Die Gespräche illustrierten sowohl den Zusammenhang zwischen menschlichem Handeln und der Klimakrise als auch die Dimensionen seiner Auswirkungen auf die sog. DESCA (Derechos Económicos, Sociales, Culturales y Ambientales), d.h. der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Rechte.

 

Street Art vor dem Gelände der indigenen Organisation CIDOB
Street Art vor dem Gelände der indigenen Organisation CIDOB

 

Zusammenarbeit mit NGOs: Perspektiven und Herausforderungen

Zusätzlich zu den Interviews mit indigenen Organisationen tauschte ich mich mit verschiedenen NGOs aus, die im Kontext von indigenen Rechten und Umweltbelangen arbeiten. Die Diskussionen mit NGO-Vertreter*innen gaben mir zusätzliche Einblicke in einige praktische Herausforderungen und Erfolge ihrer Arbeit.

 

Für deine Master-, Diplomarbeit oder deinen PhD planst du Laborarbeiten, Feldforschungen, Arbeiten in Archiven, Bibliotheken oder wissenschaftlichen Sammlungen im Ausland?

Bewirb dich jetzt um das kurzfristige wissenschaftliche Auslandsstipendium (KWA).

 

Fazit: Praxisorientierte Forschung und persönliche Weiterentwicklung

Insgesamt war mein Forschungsaufenthalt in Bolivien eine tiefgreifende und bereichernde Erfahrung. Ich möchte allen, die zu praxisnahen Themen arbeiten, empfehlen, Angebote wie KWA wahrzunehmen und sich an Konzepte für Forschung „vor Ort“ heranzuwagen. Mit der Ethikkommission der Universität Wien steht eine zusätzliche Möglichkeit offen, ethische Fragen, die sich bei der Durchführung von Forschungsprojekten ergeben, einer interdisziplinären Expert*innengruppe zur Prüfung vorzulegen. Die vielfältigen wunderbaren Begegnungen und die intensive Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen, sozioökologischen und rechtlichen Herausforderungen haben meine Forschung und meine persönliche Entwicklung nachhaltig geprägt. Tupananchikkama!

 

 

Cansu Cinar ist Juristin und Doktorandin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Cansu forscht zu Menschenrechten im Kontext der Klimakrise. Ihre Forschungsarbeiten führten sie zuletzt nach Lateinamerika. Ein KWA-Stipendium unterstützte den wissenschaftlichen Aufenthalt finanziell.

 

Foto von Cinar

ein Beitrag von Cansu Cinar



Die lange Nacht der Unternehmen 2023

Am 18. April hieß es wieder: „Per Shuttle-Bus zum ersten Job“! Die lange Nacht der Unternehmen fand statt und ermöglichte es Studierenden und Absolvent*innen Arbeitgeber*innen kennenzulernen und Unternehmensstandorte zu besuchen. Kick-off im Rathaus Beim Kick-off im Festsaal des Wiener Rathauses ging es los! Dort warteten eine Q&A-Area mit Unternehmensvertreter*innen, Infostände, ein Bewerbungsfoto-Shooting, CV-Checks und ein … Continued

Facing challenges – wie kann ich meine Resilienz stärken?

Was genau ist Resilienz und wie kann diese den Alltag von Studierenden stärken? In diesem Artikel findest du Tipps und Tricks, um mit herausfordernden Situationen und Stress im Studienalltag besser umgehen zu lernen.       Resilienz – was ist das? Im Studium gibt es Phasen und Situationen, die herausfordernd oder auch überfordernd sein können. … Continued

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to top of page