Wie werden Anlageprodukte „grün“? In der Lehrveranstaltung ‚Green Finance‘ beschäftigten sich Studierende der Rechtswissenschaftlichen Fakultät mit nachhaltigen Investitionen. Autorin Hannah Zenaty berichtet über ihre Erfahrungen.
Nachhaltigkeit – ein Schlagwort, das zu Diskussionen anregt und insbesondere bei der Generation Z starke Emotionen hervorrufen kann. Der Klimawandel und seine verheerenden Auswirkungen zwingen die Menschheit förmlich zu einem steigenden Umweltbewusstsein. Auch der Unionsgesetzgeber hat die Bedrohlichkeit der globalen Klimakrise erkannt und verfolgt große Ziele: Im Rahmen des beschlossenen europäischen Grünen Deals soll die Europäische Union (EU) bis 2050 klimaneutral sein. Um diese EU-Klimaziele erreichen zu können, strebt der Unionsgesetzgeber das Lenken langfristiger Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte an. Angesichts dieser immer präsenter werdenden Relevanz eines nachhaltigen Finanzwesens hat die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien im Wintersemester 2022/23 erstmalig den Kurs „Green Finance“ in ihr Wahlfachmodul aufgenommen und angeboten.
„Green Finance“: Ein Zusammenspiel öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Aspekte
Im Mittelpunkt der Lehrveranstaltung stand das Thema Nachhaltigkeit im Finanzwesen – eine aus rechtlicher Sicht wirklich spannende Thematik, da diese als Querschnittsmaterie sowohl aufsichtsrechtliche Vorschriften als auch privatrechtliche Fragestellungen nach sich zieht: Unter welchen Bedingungen ist ein Anlageprodukt als „grün“ zu qualifizieren? Wie gestaltet sich die Haftung eines Anlageberaters, der seinem eine nachhaltige Investition anstrebenden Kunden ein Produkt empfiehlt, das nicht seinen Anlagewünschen entspricht? Diese und andere grundlegende Fragestellungen wurden im Rahmen der Lehrveranstaltung gemeinsam von den Kursleiter*innen Dr. Lukas Herndl, LL.M. (Berkeley), Universitätsassistent am Institut für Zivilrecht der Universität Wien und Dr. Tamara Kapeller, Aufsichtsrätin der BAWAG Group und Vortragende zum Thema Nachhaltigkeit, erörtert und diskutiert. Einige der teilnehmenden Studierenden besuchten den Kurs im Rahmen der Wahlfachkörbe Umweltrecht oder Bank- und Versicherungsrecht.
Frau Dr. Kapeller widmete sich insbesondere den öffentlich-rechtlichen Aspekten von Green Finance, indem sie den Studierenden die einschlägigen EU-Rechtsakte und die daraus resultierenden Pflichten für Finanzmarktteilnehmer näherbrachte. Hier ließen beispielsweise ihre Vorträge zur Taxonomie- und Offenlegungs-Verordnung erkennen, dass der Unionsgesetzgeber – durch das Konzipieren eines Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und das Normieren umfassender Transparenzpflichten für Finanzmarktteilnehmer und -berater – eine rechtliche Basis für nachhaltige Investitionen geschaffen hat. Demgegenüber beleuchtete Dr. Herndl die privatrechtlichen Fragestellungen im Bereich Green Finance: Von den Grundlagen der grünen Kreditfinanzierung über die zivilrechtliche Haftung bezüglich grüner Anlageprodukte bis hin zu den Auswirkungen eines potenziellen Lieferkettengesetzes wurde den Studierenden ein Einblick in jeden denkbaren Themenkomplex im Bereich des Green Finance gewährt.
Perspektivenwechsel: Gastvorträge durften nicht fehlen
In den letzten Kurseinheiten hatten die Studierenden die Chance, im Zuge zweier Gastvorträge mit einem anderen Blickwinkel auf die Thematik Nachhaltigkeit und Green Finance zu schauen. In seinem Gastvortrag ging Jozef Vasak, Leiter Wirtschaft und Soziales an der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, ausführlich auf den europäischen Grünen Deal und sämtlichen darauf aufbauenden Strategien der EU zur Erreichung der EU-Klimaziele ein. Der zweite Vortrag wurde von Dr. Lukas Brunner, Leitender Wissenschaftler in der Gruppe für Dynamik und Modellierung des Klimasystems an der Universität Wien, gehalten. Dr. Brunner erklärte das Klimasystem der Erde sowie den Zusammenhang von Emissionen und Temperatur und rief in Erinnerung, dass die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Klima nicht mehr ignoriert werden dürften.
Es ist aus Sicht der Studierenden sehr erfreulich, dass die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien im Lichte dieses aktuellen und immer wichtiger werdenden Themas ihr Lehrangebot laufend erweitert.
Titelbild: iStock (c)
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