Welche Wirkung entfalten Katastrophenfilme in der Klimakommunikation? Wie nehmen Influencer*innen in Sachen Klimaaktivismus Einfluss? Die Schreibwerkstatt zur Bachelorarbeit am Institut für Theater-, Film-, Medienwissenschaft der Universität Wien unter der Leitung von Carmen Sippl hat sich die aktuelle Semesterfrage „Was machen wir Menschen mit der Erde?“ zum Anlass genommen, um fachspezifische Zugänge dazu zu erkunden.
Am Beginn jedes Schreibprozesses steht die Suche nach einem geeigneten Thema. So trivial das zunächst klingen mag – diese Suche erweist sich für ein Schreibprojekt wie die Bachelorarbeit als herausfordernd: denn sie verlangt nach Orientierung im weiten Feld der theater-, film-, medienwissenschaftlichen Theorien und Konzepte, zur Festlegung auf bestimmte Artefakte als Untersuchungsgegenstand, zur Auslotung der geeigneten Methodik.
Was machen wir Menschen mit der Erde?
Die aktuelle Semesterfrage dreht sich um das Anthropozän: Der geologische Fachbegriff beschreibt das Erdzeitalter, in dem der Mensch durch sein Eingreifen in das Erdsystem zum geologischen Faktor geworden ist. Er ist aber auch ein kulturelles Konzept, das dieses Menschenbild und seine Wirkweisen hinterfragt. Im Rahmen der Geistes- und Kulturwissenschaften, die sich als „Environmental Humanities“ angesichts der Herausforderung durch den Klimawandel neu formiert haben, eröffnet die Frage nach dem „Human Impact“, wie ihn z.B. der Filmemacher Edward Burtynsky in eindrucksvollen Bildern darstellt, auch forschende Zugänge für die Theater-, Film-, Medienwissenschaft.
Ökologischer Fußabdruck von Film und Theater
Die Studierenden in der Schreibwerkstatt unter der Leitung von Carmen Sippl haben die Herausforderung angenommen und konkrete Forschungsfragen aus der Sicht ihrer Disziplin entwickelt, mit Blick auf mediale Praktiken, Prozesse inszenierter Wahrnehmung, die Rolle von Visualisierungen in der Klimakommunikation. Auf der materialen Seite galt die Auseinandersetzung etwa der Frage nach der Bedeutung von Nachhaltigkeit bei Film- und Theaterproduktionen: Wie sieht deren ökologischer Fußabdruck aus? Lassen sich Filme, Theateraufführungen oder Medien klimafreundlich herstellen? Dabei wurde das Augenmerk auch auf den Widerspruch zwischen klimaaktivistischen Inhalten und deren Produktion – etwa in den Filmen von James Cameron oder Leonardo di Caprio – zum Thema gemacht.
Klimaaktivismus auf der Bühne
Auf der Ebene der Narration näherte sich zum Beispiel Studentin Hanna Berger der aktuellen Semesterfrage. Um zu untersuchen, wie das Thema Umweltschutz 2020 an österreichischen Theatern zur Aufführung kam, verglich sie die Inszenierungen von „Schuld und Söhne“ von Christine Eder (Text) und Eva Jantschitsch (Musik) am Wiener Volkstheater und dem nonverbalen Bewegungstheater „Pinguin Fishing“von Michael Hofkirchner (Regie) des Theater Asou in Graz. Ihr zentrales Forschungsinteresse galt dabei den inszenatorischen Mitteln von auf die Bühne gebrachten Klimastreiks sowie den dargestellten Anthropomorphismen als Embodiment und der Wirkung auf die verschiedenen Zielgruppen – Erwachsene bzw. Kinder – der beiden Theaterstücke.
Schreibprojekte für die Zukunft
Die Forschungsfragen fokussierten Repräsentation, Rezeption und inszenierende Verarbeitungen des von der Semesterfrage eröffneten Themenfeldes. Die Bedeutung von apokalyptischen Narrationen im Film zur ökologischen Bewusstseinsbildung stellte dabei einen weiteren Schwerpunkt dar. Begleitet wurden diese Überlegungen von Diskussionen über den Zusammenhang von Hollywood-Produktionen im globalen Norden und den Folgen des Ressourcenraubbaus im globalen Süden. Moralisierenden Tendenzen im Umweltdiskurs wurde dabei mit Forschungsfragen begegnet, die sich der Rolle von Humor in der Klimakommunikation widmeten. Die Semesterfrage „Was machen wir Menschen mit der Erde?“erwies sich als inspirierend für eine Auseinandersetzung in wissenschaftlichen Schreibprojekten aus Sicht der Theater-, Film-, Medienwissenschaft.
👉 Nähere Informationen zu Carmen Sippls Projekt „Das Anthropozän lernen und lehren“
👉 Mehr zum Thema Klimaaktivismus: Hier geht’s zum Blogbeitrag „Climate Justice now! Fridays for Future als neuer Akteur in der Klimapolitik“ von univie-Protestforscherin Antje Daniel