Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit – Ursachen, Folgen und mögliche Lösungsansätze gehören gelehrt. Die Ringvorlesung Climate Change and Climate Crisis an der Universität Wien widmet sich zum dritten Mal in Folge diesem hochbrisanten Thema. Helena Wieländner besucht derzeit die Lehrveranstaltung und zieht gemeinsam mit Franz Essl, Uni Wien-Biodiversitätsforscher und Mit-Organisator der Vorlesung, eine „Zwischenbilanz“.
Die Ringvorlesung Climate Change and Climate Crisis gibt es in diesem Semester bereits in der dritten Auflage: Was macht sie so besonders?
Franz Essl: Diese Ringlehrveranstaltung ist an der Universität Wien einzigartig, in mehrerlei Hinsicht. Sie behandelt eines der – wenn nicht DAS – drängendste Problem unserer Gesellschaft: die Klimakrise. Die Lehrveranstaltung wird in enger Zusammenarbeit mit Aktivist*innen von Fridays For Future geplant, somit ermöglicht diese Lehrveranstaltung etwas ganz Wichtiges – nämlich einen wichtigen Beitrag zum Klima-Diskurs. Dies deckt sich mit meinem Verständnis der Rolle von Wissenschaft in einem demokratischen und von einer aktiven Zivilgesellschaft geprägten Umfeld.
Helena Wieländner: Mein Interesse am Klimathema ist in den vergangenen Monaten extrem gestiegen. Aktivismus nimmt in meinem Leben einen großen Platz ein. Ich dachte mir, dass ich noch viel lernen kann, deshalb sehe ich es als Chance, mehr über die komplexen Vorgänge zu lernen – das hilft mir auch im Gespräch mit Personen, die die Dringlichkeit der Klimakrise noch nicht verstanden haben.
Die Klimakrise betrifft uns jetzt schon täglich und wird uns in Zukunft noch mehr betreffen – auch in Österreich. Besonders gut gefällt mir an der Vorlesung, dass auch positive Visionen und Lösungsvorschläge aufgezeigt werden. Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, auch die Chancen zu behandeln, sonst verzweifelt und resigniert man irgendwann.
Hier geht’s zur Anmeldung: https://ufind.univie.ac.at/de/course.html?lv=290105&semester=2021W
Franz Essl, das Thema Klimakrise und Klimaschutz beinhaltet viele Aspekte: Was können Interessierte erwarten?
Franz Essl: Wir als Organisationsteam spannen dieses Semester einen Bogen von der Klimaforschung hin zur dringend nötigen Bekämpfung der Klimakrise. Das möchten wir aus verschiedenen Perspektiven beleuchten – daher haben wir Vortragende mit sehr unterschiedlicher Expertise eingeladen. Von der Afrikanistik bis zur Zoologie werden alle Studierenden angesprochen und ich denke, uns ist dies auch gut gelungen. Die mehr als 1000 Teilnehmenden zeigen, dass großes Interesse am Thema besteht.
Helena Wieländer, du belegst die Vorlesung aktuell – welche Themen findest du besonders spannend?
Helena Wieländner: Ich studiere Soziologie und komme aus einem aktivistischen Umfeld. Mit den meisten Fakten und Zusammenhängen bin ich schon vertraut, doch trotzdem bin ich immer wieder schockiert, wenn ich die Auswirkungen der Klimakrise noch einmal vor Augen geführt bekomme. Schließlich geht es nicht nur um irgendwelche hypothetischen, weit in der Zukunft liegenden Eventualitäten, sondern um höchstwahrscheinliche katastrophale Auswirkungen auf die menschliche Zivilisation.
Aus soziologischer Sicht interessieren mich die sozialen Zusammenhänge am meisten: Wie werden Menschen mit den Folgen der Klimakrise umgehen? Wie verändert sich das gesellschaftliche Leben? Welche Personengruppen werden besonders darunter leiden und wie kann man Klimaschutz als Potenzial für eine gerechtere Welt betrachten?
Was braucht es noch für eine „klimagerechte Lehre“?
Helena Wieländner: Ich wünsche mir, dass die Klimakrise so schnell wie möglich auch in anderen Lehrveranstaltungen Thema wird. Es handelt sich um ein so komplexes und interdisziplinäres Thema, das alle Lebensbereiche betrifft. Gerade die Sozialwissenschaften haben da noch viel Aufholbedarf. Mehr Bewusstsein ist wichtig, damit die Politik irgendwann gar keine andere Wahl mehr hat, als sozio-ökologisch zu handeln. Und je früher dieses „irgendwann“ ist, umso größer sind unsere Chancen, die Klimaziele noch rechtzeitig zu erreichen.
Franz Essl: Die Universität Wien hat in den letzten Jahren das Lehrangebot zu den Ursachen und Folgen der Klimakrise deutlich ausgeweitet. Diese Aktivitäten wurden in einem erheblichen Ausmaß als individuelle Initiativen von Lehrenden und Studierenden gesetzt und es hat sich ein enormes Interesse auf Seiten der Studierenden an diesem Lehrangebot gezeigt.
Die Vermittlung von Fakten und Zusammenhängen zum Thema Klimakrise sehe ich auch als Auftrag der Universität Wien. Ein sinnvoller nächster Schritt wäre aus meiner Sicht die Entwicklung eines Gesamtplan zum zielgerichteten Ausbau klimabezogener Lehrinhalte. In sehr vielen Fachdisziplinen spielen die Folgen der Klimakrise eine prominente Rolle, ein klimabezogenes Lehrangebot sollte daher auch möglichst allen Studierenden zugänglich gemacht werden.