Jeremy studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien. In seinem Blogbeitrag berichtet er von einer erfrischenden Lehrveranstaltung, die ihm Lust auf die Praxis gemacht hat. Lest weiter über seine Erfahrungen mit einem so genannten „Moot Court“:
Moot was?! Vorab für all jene unter euch, die noch nie etwas von „Moot Court“ gehört haben: Es handelt sich dabei um ein hypothetisches Gerichtsverfahren zu einem fiktiven oder auch realen Fall, bei dem wir Jusstudentinnen und Jusstudenten interuniversitär gegeneinander antreten. Wer Anwaltsserien wie „Suits“ oder „The Good Wife“ geschaut hat, wird jetzt wahrscheinlich ein US-amerikanisch geprägtes Bild vor Augen haben. Das aber auch nicht zu Unrecht, denn dieser Wettbewerb kommt ursprünglich aus den USA. Aber auch in Österreich hat der MC in manchen Rechtsgebieten bereits langjährige Tradition. Noch relativ neu ist jener aus dem Umweltrecht, an dem ich dieses Semester teilgenommen habe.
MC Umweltrecht
Beim MC Umweltrecht geht es darum, das Genehmigungsverfahren von einem echten, bereits umgesetzten Projekt nochmal durchzuspielen. Dabei ist der Ausgang des neuerlichen Verfahrens – also erneute Bewilligung oder Ablehnung durch die Behörde – keineswegs vorweggenommen. Dieses Jahr haben wir uns mit einer Schigebietserweiterung in Salzburg auseinandergesetzt. Dabei kam uns die Rolle der Umweltschutzorganisation zu. Daneben haben noch vier weitere österreichische Universitäten teilgenommen und folgende Rollen besetzt: Projektwerberin, Nachbarinnen und Nachbarn, Landesumweltanwaltschaft und Behörde. Jedes Team wird dabei von einer Professorin/einem Professor und Praxispartnerin/Praxispartner betreut. Das waren in unserem Fall Prof. Ennöckl und Univ.-Ass. Mag.a Judith Fitz vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht und Rechtsanwalt Dr. Altenburger von der Kanzlei Jarolim Partner.
Bewerbung und Anrechnungsmöglichkeiten
Der Moot Court findet jährlich im Sommersemester statt. Das Projekt wurde heuer um Neujahr bekanntgegeben und die Bewerbungsfrist lief bis am 21. Jänner. Mitte Februar hatte ich dann die Zusage. Dieses Jahr wurden sechs von etwa zehn Bewerberinnen und Bewerbern genommen. Auch wenn die Teams meines Wissens nach üblicherweise kleiner sind, hat man also gute Chancen. Anrechnen lassen kann man sich die Lehrveranstaltung (LV) entweder als 8 ECTS im Wahlfachkorb Umweltrecht oder als 2-Std. Seminar im Diplomarbeitsmodul (worüber man noch eine Seminararbeit schreiben kann). Voraussetzung ist, dass man bereits eine umweltrechtliche LV absolviert hat.
Phase #1: Verfassen eines Schriftsatzes in der Kanzlei
Zunächst war es – wie im echten behördlichen Verfahren – Aufgabe der Projektwerberin einen Genehmigungsantrag zu verfassen und einzureichen. Daraufhin fing unsere Arbeitsphase in der Kanzlei an. Was spricht gegen das Projekt? Und wie verfasst man so einen Schriftsatz mit Einwendungen eigentlich? Gleich am Anfang war klar, es geht jetzt nicht mehr nur darum, theoretisches Wissen aus dem Studium wiedergeben zu können, sondern darum, ein konkretes Projekt zu analysieren und Stellung zu beziehen. Wir haben uns eine Gliederung überlegt und die Themenbereiche aufgeteilt. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten kamen wir in einen immer dynamischer werdenden Workflow. Unklarheiten wurden in der Gruppe besprochen und Ideen sowie Wissen zusammengetragen. Und so hatten wir nach unserer zweiwöchigen Arbeitsphase schließlich unsere Argumente in einen Schriftsatz eingearbeitet und fristgerecht abgegeben.
Phase #2: Mündliche Verhandlung am Projektstandort Leogang
Der spannendste Teil war dann die mündliche Verhandlung. Hier ging es dann nochmal darum, bestmöglich in unsere Rolle zu schlüpfen und auf alles gefasst zu sein. Denn wir wussten – wie auch die meisten anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer – nicht, wie so eine Verhandlung eigentlich abläuft. Wie wird die Behörde das Verfahren gestalten? Werden wir vor allem zu Unklarheiten in unserem Schriftsatz befragt oder werden sie uns mehr Redezeit geben, um unseren Standpunkt zu bekräftigen? Spätestens als die Behörde das Wort ergriff und das Verfahren einleitete, waren wir aber – glaube ich – alle mitten im Geschehen angekommen. Gut drei Stunden wurde dann lebhaft debattiert. Einen besonders lustigen Moment werde ich wohl nie vergessen: Als uns die Behörde zu einem Tagesordnungspunkt das Rederecht verwehrte, rutschte einer meiner Teamkollegen wortlos zum Team der Nachbarinnen und Nachbarn, um so von ihrem Rederecht Gebrauch zu machen. Eine Behördenvertreterin blickte zwar sofort skeptisch. Es dauerte dann aber noch ein paar Minuten bis allen klar war, was er da gerade versucht hatte. Naja, wenigstens wurden so ein paar unserer Argumente protokolliert. Ha-ha.
Fazit Motivationsschub
Es ist kein Geheimnis, dass man in unserem Studium oft wochenlang Theorie büffelt. Deswegen wird es auch nicht verwundern, wenn ich euch sage, dass diese Lehrveranstaltung richtig erfrischend war.
Allem voran hab‘ ich jetzt Lust auf mehr bekommen, weil ich mal gesehen habe, wie man dieses ganze Lehrbuchwissen auch umsetzen kann. Zudem hat es auch gut getan, mal in einer Gruppe zu arbeiten. Der ganze MC ist auch tipptopp organisiert. Die gemeinsamen Veranstaltungen interaktiv zu gestalten und mit den Expertinnen und Experten ins Gespräch zu kommen, kann gewiss als Erfolg und zugleich ausdrücklicher Wunsch für die Zukunft festgehalten werden. Denn hier treffen viele Leute mit – zumindest einem – gleichen Interesse zusammen. Alles in allem: Schade, dass man sich nächstes Jahr nicht nochmal bewerben kann.