Direkt im Hörsaal abstimmen, welches Thema in der Lehrveranstaltung noch diskutiert werden soll? Klingt spannend! Digitale Methoden machen genau das möglich. Sonja Buchberger vom Center for Teaching and Learning der Universität Wien berichtet in ihrem Blogbeitrag von digitalen Möglichkeiten in der Lehre & gibt Lehrenden einen Überblick über die verschiedenen Tools.
Digitale Lehre ist gerade an Universitäten mit vielen Groß-Lehrveranstaltungen von zentraler Bedeutung. Digitale Lehr-/Lernmaterialien (z.B. Lehrvideos) erlauben es Studierenden, in Vorlesungen nicht an allen Terminen physisch teilnehmen zu müssen. Im Unterschied zu analogen Materialien können hier Lernressourcen mit Interaktion verbunden werden, z.B. durch eingebaute Quiz oder Kommentarmöglichkeiten für Studierende. Aber auch in den Präsenzeinheiten erleichtern digitale Medien die Kommunikation und Interaktion deutlich.
Ich habe mich mit dem Team Digitale Lehre (Center for Teaching and Learning) unterhalten, denn es unterstützt Lehrende an der Uni Wien darin, sich auf digitale Chancen und Herausforderungen einzulassen. Dabei arbeitet es eng mit dem ZID (Zentraler Informatikdienst der Uni Wien) und der UB (Universitätsbibliothek) zusammen. Da viele Lehrende noch keine eigene Erfahrung mit neueren Entwicklungen wie Massive Open Online Courses (MOOCs) oder Lehrvideoproduktion haben, möchte ich in diesem Blogbeitrag digitale Möglichkeiten vorstellen – von „Klassikern“ wie MOODLE bis zu weiterführenden Tools.
Kamera läuft: Videoproduktion für
die (digitale) Lehre
Seit Anfang 2017 heißt es bei uns am CTL immer wieder: „Bitte Ruhe – Dreharbeiten im Gange!“. In den letzten zwei Jahren haben etliche Lehrveranstaltungen von neuen Erklärvideos profitiert. Das CTL steuert personelle und technische Unterstützung sowie mediendidaktische Beratung bei. Lehrende müssen also weder technisches Knowhow noch Ausrüstung mitbringen, damit die Dreharbeiten beginnen können. Die einzige Voraussetzung ist, dass die entstehenden Videos frei lizenziert werden und auch von anderen nachhaltig im Sinne offener Bildungsressourcen genutzt werden dürfen.
Digitale Medien erleichtern Großlehrveranstaltungen für alle Beteiligten
Aber nicht nur die Videoproduktion, sondern auch die sinnvolle Einbindung in eine Lehrveranstaltung kann zu Fragen bei Lehrenden führen. Hier kommt mein Kollege Christoph Winter ins Spiel, der studentische E-MultiplikatorInnen (sog. „E-MUs“) ausbildet und betreut. Er hat Kontakt mit E-MUs, Lehrenden und Studierenden aus unterschiedlichen Fachbereichen. Das erlaubt ihm spannende Einblicke in Lehrveranstaltungen, die er gelegentlich auf Anfrage der Lehrenden besucht und sie anschließend in der weiteren Einbindung digitaler Medien (z.B. in Form von Flipped Classroom) berät.
Oft führt dieser Prozess schrittweise zu einer intensiveren Nutzung von MOODLE. Zusätzlich zur Möglichkeit, Dateien einfach zur Verfügung zu stellen, verwenden viele Lehrende längst weitere Möglichkeiten der Lernplattform, so z.B. den Abgabeordner über die Aktivität „Aufgabe“ oder das Nachrichtenforum. Mein Kollege Daniel Handle-Pfeiffer kennt jedoch nach wie vor Geheimtipps, die wenig bekannt sind. Er verrät, welche Top 3-Anwendungen vielen ihre Arbeit erleichtern können.
Die Top 3 der unbekannten MOODLE-Anwendungen:
- Aktivität „Lektion“: Lehrende können Inhalte strukturieren und in eine Reihenfolge bringen. Es ist möglich, aktivierende Zwischenfragen zu stellen. Auf ähnliche Weise können sog. „Lernpfade“ über Abschlussverfolgung für ganze Themenabschnitte eingerichtet werden.
- Kursformat „Nur ein Abschnitt pro Seite“: Dieses Kursformat sorgt für erleichterte Navigation und kompaktere Darstellung, damit MOODLE-Kurse nicht wie lange Listen wirken. Auch Textfelder (z.B. für Zwischenüberschriften) oder Ordner können zu mehr Übersicht beitragen und es Studierenden außerdem erlauben, mehrere Dateien auf einmal herunterzuladen.
- Beurteilung: Die Lernplattform ermöglicht es, mehrere Teilleistungen festzulegen und ihre Gewichtung in der Gesamtnote zu bestimmen. Durch eine automatische Übertragung der Noten in u:space ersparen sich Lehrende die manuelle Noteneingabe nach Lehrveranstaltungsende. Es ist möglich, dass Studierende schon während des Semesters die bisher erlangten Punkte auf Teilleistungen einsehen können.
ARSnova: Live-Abstimmung im Hörsaal
Student Response Systeme sind eine weitere Entwicklung im Bereich digitale Lehre, die Uni-weit immer mehr genutzt werden. Sie erlauben Lehrenden, ad hoc studentische Rückmeldungen zu erhalten und sind damit eine wichtige Möglichkeit, Studierende in den Präsenzeinheiten zu aktivieren. Die Ergebnisse werden automatisch ausgewertet und grafisch dargestellt. Im Hörsaal hat es oft eine gewisse Dramatik, wenn Studierende wie Lehrende in Echtzeit mitverfolgen, wie sich das Diagramm der Antwortstatistik mit jeder weiteren eingehenden Antwort dynamisch verändert.
Die Einsatzszenarien sind vielfältig:
- kurze Verständnisüberprüfungen,
- inhaltliche Fragen, die als Ausgangspunkt einer Diskussion in der Lehrveranstaltung genutzt werden können oder
- Feedback auf die Lehrgestaltung (z.B. Rückmeldungen auf die Sprechgeschwindigkeit in einer Vorlesung).
Zur Unterstützung dieser Live-Abstimmungen wird in der Lehre seit März 2019 die Open-Source-Software ARSnova an der Uni Wien im Testbetrieb eingesetzt. Alle Lehrenden sind eingeladen, am Testbetrieb mitzuwirken und den Entwickler/innen Feedback zu geben. Für Lehrende ist dafür eine Registrierung mit ihren u:account-Daten erforderlich, für Studierende nicht. Sie steigen einfach über die mit einem Session-Code ein, den die Lehrveranstaltungs-Leitung bekannt gibt.
Bis zur Einführung dieses Student Response Systems war es ein langer Weg, an dem meine Kollegin Sylvia Lingo über Jahre mitgewirkt hat. 2016 gab es eine Grundsatzentscheidung, keine Hardware-Clicker einzuführen, sondern ARSnova als ein universitätsweites Student Response System mit webbasierter Lösung zu etablieren. Eine künftige Schnittstelle zu MOODLE ist in Planung, die das Abstimmungs-System an die einzelnen Lehrveranstaltungen der Lehrenden anbindet.
Abschließende Gedanken
Gerade an Universitäten mit vielen Groß-Lehrveranstaltungen sind die Möglichkeiten digitaler Medien in der Lehre zentral. Offene Fragen werden uns zu dem Thema sicher noch lange beschäftigen: Welche Rückschlüsse erlaubt uns Blended Learning auf das komplexe Verhältnis zwischen Lernen und physischer Co-Präsenz? Welche Synergien werden sich eröffnen, wenn Lehrende das Potenzial freier Bildungsressourcen (z.B. über MOOCs) verstärkt nutzen?
Hinweis für Interessierte: In einem Podcast über Digitalisierung an Universitäten diskutieren Prof. Fares Kayali, neu berufener Professor für Digitalisierung im Bildungsbereich, und Dr. Anne Thillosen, Leiterin des bekannten Portals e-teaching.org.
Im nächsten Blog-Beitrag widme ich mich der Bedeutung von Feedback im Lehren und Lernen.