AHS-Geschichtslehrerin Sabine Mader schreibt über die Ideen und Erkenntnisse, die sie im Fortbildungs-Workshop zur Semesterfrage „Was eint Europa“ für sich und ihren Unterricht gewinnen konnte.
Spätestens alle fünf Jahre, wenn die Wahl zum Europaparlament vor der Tür steht, häufen sich in den Medien und der Öffentlichkeit Themen, die die Arbeit des Europäischen Parlaments und der EU besonders beleuchten. Institutionen, wie zum Beispiel das Haus der EU in Wien, bieten verstärkt Programme und Initiativen für Schulen an. Doch als Geschichtslehrerin beschäftige ich mich wesentlich öfter und regelmäßiger mit dem Thema „Europa“.
Was ist Europa, was eint Europa, was trennt Europa?
Die Semesterfrage der Universität Wien im Studienjahr 2018/19 „Was eint Europa?“ und der daran angeschlossenen Workshop haben mich inspiriert über meine persönliche Europavorstellung nachzudenken. Außerdem liegen dieser Fragestellung unzählige spannende Denkanstöße inne, die vor allem auch für den Unterricht in Geschichte und Politische Bildung diverse interessante Ansätze bieten.
Europa, die EU und alles, was dazu gehört, zählt nicht gerade zu den Lieblingsthemen von SchülerInnen und auch nicht von LehrerInnen. Vor allem die Komplexität des Themas scheint ein Grund dafür zu sein, dass die Materie oftmals für SchülerInnen wenig motivierend sowie für LehrerInnen schwierig aufzubereiten ist.
Ulrich Ballhausen von der Leibniz Universität Hannover gab in bisher zwei Workshops für Lehrende von der Universität Wien sowie im Verbund Nord-Ost diverse Anregungen zur „Idee von Europa“. Dabei kristallisierten sich Schlagworte wie „doing Europe“, „feeling Europe“ oder „living Europe“ für mich persönlich als wesentliche Aspekte für die Annäherung an das Thema heraus.
Er stellte der Workshop Gruppe das Europa–MOOC (massiv open online course) vor. Während des Workshops konnten wir als TeilnehmerInnen unsere Ideen und Vorschläge zu Europa einfließen lassen und daraus ein Konzept für ein interessantes Fortbildungsangebot u.a. für Lehrerinnen und Lehrer erschaffen.
Inhaltliches Ziel des MOOC ist die Vermittlung eines politischen Grundverständnisses. Europaorientierte Bildungsarbeit muss weit mehr als reines Faktenwissen bieten. Erst durch das Erleben und Erfahren Europas als Gesellschafts- und Lebensform wird die Thematik auch für SchülerInnen greifbarer und spannend. Dieses Grundverständnis ist eine Voraussetzung für europäische und europapolitische Bildungsprozesse.
Was Europa von Nordamerika lernen kann
Um Themengebiete motivierend unterrichten zu können, muss der Funke der persönlichen Begeisterung und positiven Einstellung in den Unterricht miteinfließen.
Angelehnt an den so selbstverständlichen „Superpatriotismus“ von US-AmerikanerInnen könnte eine verstärkte Entwicklung eines europäischen Bewusstseins Stimmen verstummen lassen, die das „Projekt Europa“ zum Scheitern verurteilen. Das Einnehmen europaentwickelnder Perspektiven anstelle von unreflektiert europakritischer kann ein guter Nährboden für Visionen von Europa sein. Europa und die Entwicklung einer europäischen Zivilgesellschaft braucht mehr (kritische) Begeisterung und Solidarität. Wie Angela Merkel in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 13. November 2018 anmerkte: „Solidarität ist ein Teil der europäischen DNA“.
Ich denke, dass die Förderung eines europäischen Bewusstseins und das Denken in europäischen Kategorien in der Bildungsarbeit in Schulen und Universitäten einen wichtigen Beitrag im Bereich des Demokratielernens und der internationalen Verständigung leisten kann.
Wie kann man das Thema „Europa“ im Unterricht spannend gestalten?
Die Schullehrpläne haben sich in den letzten drei Jahren stark verändert. Vor allem in der Sekundarstufe 1 – mit SchülerInnen zwischen 11 und 15 Jahren – liegt ein starkes Augenmerk auf Inhalten der Politischen Bildung.
Modultitel wie zum Beispiel „Welt- und Vernetzungsgeschichte in der europäischen Antike“, „Identitäten“ oder „Europäisierung“ bieten vielfältige Möglichkeiten das oftmals für SchülerInnen nicht so prickelnde Thema „Europa“ spannend zu machen. So erfahren SchülerInnen bereits in der 2. Klasse, dass ein weitläufiger Austausch von Waren und Ideen zwischen den Kulturen der Antike über weitläufige Handelsnetzwerke funktionierte. Was in der heutigen Zeit, im Zeitalter der Globalisierung, als selbstverständlich erscheint und teilweise sogar ähnlich funktioniert. Weiterführend beschäftigen sich SchülerInnen der dritten Klasse mit der Frage „Was macht Identität aus? Gibt es so etwas, wie eine europäische Identität überhaupt?“. Die vierte Klasse hinterfragt kritisch unterschiedliche Vorstellungen über Europa und setzt sich mit Angeboten Europas, vor allem auch an junge Menschen auseinander.
Was ist Europa? Was eint Europa? Es lohnt sich, diese spannende Fragen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unterrichtsfachs Politische Bildung zu betrachten.