Die Grammatik einer Sprache zu erlernen, bedeutet mehr, als das bloße Aneignen eines Systems von Sprachlauten und sprachlichen Formen. In ihrem Blogartikel zur Semesterfrage erläutert Soonja Choi vom Institut für Sprachwissenschaft den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken.
Angeborene Fähigkeiten und neurologische Mechanismen erlauben es Kleinkindern, die Grammatik ihrer Erstsprache innerhalb weniger Jahre zu beherrschen. Im Alter von zehn bis 12 Monaten sind sie auf die Laute ihrer Erstsprache eingestimmt und lassen die Sprachlaute anderer Sprachen außer Acht. Ungefähr ab dem achtzehnten Lebensmonat beginnt ihr Wortschatz rasant zu wachsen. Im Alter von drei bis vier Jahren beherrschen Kinder schließlich die grundlegende Grammatik ihrer Erstsprache und sind in der Lage, vollständige Sätze zu bilden. Diese erstaunliche Leistung vollbringen Kinder auf natürliche und spontane Weise, vorausgesetzt sie interagieren mit ihren Bezugspersonen und kommen so mit der Sprache in Kontakt.
Erlernen eines Bedeutungssystems
Die Grammatik einer Sprache zu erlernen, bedeutet mehr, als das bloße Aneignen des zugrunde liegenden Systems von Sprachlauten und sprachlichen Formen. Es bedeutet auch, das mit der Sprache verbundene Bedeutungssystem (Semantik) kennenzulernen, mithilfe dessen wir Dinge und Ereignisse in der Welt organisieren und darstellen.
Semantische Systeme sind keineswegs allgemeingültig. Das gilt selbst für grundlegende kognitive Bereiche, wie beispielsweise die räumliche Beziehung von Objekten zueinander. So werden Objektbeziehungen [„Apfel IN Schale“/“Apfel AUF/ON Teller“; „Finger IN Ring“/“Ring AN/ON Finger“] im Deutschen (und im Englischen) beispielsweise topologisch dahingehend klassifiziert, ob X sich in Y befindet (=IN) oder nicht (=AN/ON). Diese scheinbar einfache Klassifizierung ist jedoch nicht für alle Sprachen anwendbar. Das Koreanische verfolgt beispielsweise einen ganz anderen Zugang, um Objektbeziehungen zu klassifizieren: Im Koreanischen basiert das Klassifizierungssystem auf der Frage ob X fest in Y sitzt (=KKI) oder nicht (=NEH). Demzufolge ist die Objektbeziehung bei „einen Ring AN den Finger stecken“ im Koreanischen konzeptuell dieselbe wie bei „den Finger IN den Ring stecken“, während es im Deutschen zwei unterschiedliche (sogar „gegensätzliche“) Objektbeziehungen sind. Diese räumlichen Wörter/Konzepte werden schon sehr früh erworben, weshalb die damit verbundenen Sichtweisen tief in der Art und Weise verankert sein können, wie wir über alltägliche Gegenstände und Beziehungen denken.
Wie hängen Sprache und Denken zusammen?
In den vergangenen Jahrzehnten (bis in die 1990er Jahre) herrschte die Theorie vor, dass Sprache und Denken/Kognition zwei getrennte Instanzen sind und dass die allgemeine Kognition der Sprachentwicklung vorausgeht und sie auch prägt. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass sie eng miteinander verknüpft sind: Praktisch von Geburt an beeinflussen sich die beiden Instanzen wechselseitig. Alle Kleinkinder sind mit denselben kognitiven und wahrnehmungsbezogenen Grundlagen ausgestattet. Gleichzeitig zeichnet sich jedoch zunehmend ab, dass sprachspezifische Grammatik auf allen Ebenen (Phonologie, Semantik, Syntax) einen subtilen aber maßgeblichen Einfluss darauf ausübt, wie wir die Welt wahrnehmen und organisieren. Genau gesagt, wird die Aufmerksamkeit von kleinen Kindern beim Erwerb ihrer Erstsprache auf spezifische Merkmale der Welt gelenkt. Die sprachspezifische Kategorisierung von Sprachlauten, Objektbeziehungen und Ereignissen kann auch in außersprachlichen Kontexten zu einer vorgegebenen Wahrnehmung werden.
Frühere Studien sowie Studien, die ich kürzlich mit Kolleg*innen (gefördert durch den WWTF) durchgeführt haben, weisen darauf hin, dass semantische Konzepte das Gedächtnis und die Kognition maßgeblich beeinflussen können, abhängig davon, wie stark sie in der eigenen Sprache verankert sind. Dies bezieht sich nicht nur auf Aufgaben, die explizit sprachliche Verarbeitungsprozesse erfordern, sondern auch auf indirekte Aufgaben, die dies nicht tun. Anders gesagt: Die Sprache, die wir sprechen, kann weitreichende Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie wir die Welt wahrnehmen und unsere Wahrnehmung kategorisieren, und wie wir uns an unsere Erfahrungen erinnern.
Unterschiedliche Wahrnehmungen der Welt
Durch die Erforschung von Sprache und Denken kann sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene ein maßgeblicher Beitrag zu unserer mehrsprachigen Gesellschaft geleistet werden: Je besser wir verstehen, wie Sprache unsere Denkprozesse beeinflusst, desto besser können wir verstehen, inwieweit sich die Sprecher*innen verschiedener Sprachen in ihrer Wahrnehmung der Welt unterscheiden. Die Erforschung dieser Fragen sowie die daraus resultierenden Erkenntnisse tragen außerdem zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern in mehrsprachigen Kontexten, sowie zur Verbesserung der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Sprachgruppen bei.
Dieses Semester steht die Wirkung des Wortes im Mittelpunkt. In Videos, Interviews und Blogbeiträgen beantworten Expert*innen der Uni Wien die Frage: „Wie wirkt Sprache?“ Mehr dazu in uni:view, Online-Magazin der Universität Wien. Dieser Beitrag wird auch im Forum+ auf derstandard.at gepostet. Diskutieren Sie mit!
Dieser Blogbeitrag ist wie eine Mischung aus Abenteuerroman und Wissenschaftsthriller – man kann förmlich die Hitze der Lava spüren und den Schwefelgeruch in der Luft riechen! Was mich besonders fasziniert: Wie habt ihr es geschafft, trotz des stürmischen Wetters und der unvorhersehbaren Naturkräfte, so viel wissenschaftliche Präzision und Akribie in eure Beobachtungen zu legen? Welche Herausforderung war für dich persönlich die größte auf dieser Reise?
Zu meiner Zeit hat es soetwas leider noch nicht gegeben. Super, dass das noch dazu auch noch überparteilich ist. Klimaschutz ist die wichtigste Überlebensfrage unserer Zeit. Ewiges Wachstum gibt es nicht. irgendwann ist es vorbei. Der Kapitalismus wird fossil dominiert bleiben. So kann es nicht weiter gehn.